Essen. Per Spendenaufruf will die Essener Stadtbibliothek Mini-Bibliotheken mit Büchern, CDs und Spielen in Flüchtlingsunterkünften bestücken, um den Menschen Anreisewege zu ersparen. Bücher sind zum Deutschlernen und für die Freizeitgestaltung gedacht.
Regale gibt’s bereits. Die ersten gespendeten Bilderbücher könnte man schon hineinstellen – allerdings noch am falschen Ort, an der Hollestraße. Auf Spezialwünsche wie Karaoke-CDs, die Essener Flüchtlingshelfern ebenfalls auf die Wunschliste setzten, muss man vielleicht noch etwas warten. „Dass man in den Flüchtlingsunterkünften Wörterbücher gebrauchen kann, das konnten wir uns vorstellen. Aber an Karaoke hätten wir nicht gedacht“, gibt der Stadtbibliotheksdirektor Klaus-Peter Böttger zu, „aber darum haben wir uns schließlich im Vorfeld mit allen Organisationen zusammengesetzt.“
Dienstag startete die Stadtbibliothek einen Spendenaufruf. Gesucht werden Bücher, CDs, DVDs und auch Gesellschaftsspiele, die dann an der Hollestraße gesammelt und später an Mini-Bibliotheken in den Essener Flüchtlingsunterkünften aufgestellt werden sollen. Im Grunde gibt es solche Privatspenden bereits. Immer mal wieder bringen Helfer auch Deutschlern-Bücher mit, doch oft erreichen sie nur einzelne Flüchtlinge. Aber ein Regal mit 600 bis 800 Büchern sowie DVDs mit Untertiteln in anderen Sprachen oder Gesellschaftsspielen pro Einrichtung, das wäre aus Sicht von Diakonie, Caritas und European Homecare, die die Flüchtlinge betreuen, eine echte Verbesserung.
Bibliotheken zu weit weg von Flüchtlingsheimen
Aus dem Bedürfnis, als Bibliothek in der Situation helfen zu wollen, wurde so ein konkretes Projekt. „Natürlich haben wir im Bibliothekssystem zahlreiche Sprachkurse, Bilderbücher oder einfache Lektüren, aber wir wollten herauszufinden, wie, womit und wo wir wirklich helfen können“, sagt Böttger.
Spenden erwünscht
Spenden werden in der Zentralbibliothek, Hollestr. 3, zu den Öffnungszeiten – Dienstag bis Freitag 10-19 Uhr, Samstag 10-14 Uhr – engegengenommen.
Gesucht werden Bücher zum Deutschlernen: zum frühkindlichen Spracherwerb (Bilderbücher + 1. Lesealter), Wörterbücher, aber auch Bildwörterbücher und Lexika.
Einfache Lektüretexte für Erwachsene auf Deutsch sind gefragt, genauso wie zweisprachige und fremdsprachige Literatur in Englisch, Französisch, Serbo-kroatisch, Albanisch oder Arabisch.
Auch CDs (Hörbücher, Musik) und DVDs mit Untertiteln in oben benannten Sprachen werden gesucht.
Nicht nur das Deutschlernen, auch die Freizeitgestaltung gehört ins Ausleihregal: Gesucht werden auf ausdrücklichen Wunsch Karaoke-Songs für Jugendliche und einfache internationale Gesellschaftsspiele.
Die Zentralbibliothek oder das eigene Stadtteil-Bibliotheksnetz reicht als Hilfe nicht aus. „Zuweilen sind die Wege vom Flüchtlingsheim zu einer Bibliothek zu weit“, weiß Böttger. Als Beispiel nennt er Haarzopf. Zusätzliche Hürden sind Fahrtkosten aber auch das Abklären von Anmeldeformalitäten vor Ort, ohne Deutschkenntnisse. Sollten die Mini-Bibliotheken künftig Alltag werden, fallen diese Hürden weg.
„Einer der Verantwortlichen erzählte mir, dass er ein einfaches Ausleihsystem einführen will“, berichtet Böttger. Wenn vor Ort die Flüchtlingshelfer-Organisationen also die Ausleihe betreiben, wird auch ein stückweit das Prozedere erlernt.
Aufruf kommt gut an
Damit das überhaupt möglich wird, braucht es vorab aber Spenden und Arbeitszeit in der Zentralbibliothek. Die Regale, die sonst für Aktionen genutzt werden und zig mal haltbarer als gängige Bücherregale sind, liegen zwar bereit. Doch eingehende Bücher müssen erst einmal auf Verwendbarkeit geprüft werden. Meist hat man eben deutschsprachige Literatur im heimischen Regal stehen, die zu schwierig für Deutschlerner ist. Ist ein Mini-Bibliothekssatz voll, liefert die Bibliothek das gefüllte Regal in die Unterkunft.
Flüchtlinge in DeutschlandDass man von Spendern überrannt werden könnte, macht Böttger keine Sorgen: „Das werden wir lösen, wenn’s passiert.“ Der Aufruf jedenfalls kommt gut an, wie eine Essenerin auf Facebook postet: „Bin nächste Woche mit den Vorlesepaten in der Stadtbücherei verabredet... Bringe alles mit, was ich tragen kann!“