Essen. . Durch den Zuzug von Flüchtlingen und Bürgern aus osteuropäischen EU-Staaten könnte das Angebot an preiswerten Wohnungen schon bald knapp werden, warnen Mietervertreter.
Noch gilt der Wohnungsmarkt in Essen als entspannt. Doch das könnte sich nach Einschätzung von Mietervereinen schon in absehbarer Zeit ändern. Angesichts des massiven Zuzugs von Flüchtlingen, aber auch von EU-Bürgern aus Osteuropa, fordern sie eine Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus. Andernfalls, so die Sorge, könnte preiswerter Wohnraum auch in Essen sehr schnell knapp werden. „Wir müssen darauf achten, dass der Wohnungsmarkt nicht kollabiert“, warnte gestern Felix von Grünberg, Landesvorsitzender des Deutschen Mieterbundes (DMB) anlässlich der DMB-Delegiertenversammlungin Huttrop.
Die Zahl an Sozialwohnungen ist in Essen in der Tat seit Jahren rückläufig. Von insgesamt 324.000 Wohnungen zwischen Karnap und Kettwig sind heute nur noch knapp 20.000 öffentlich gefördert; dreiviertel davon findet sich übrigens im Norden der Stadt.
Im Vergleich zu den 1970er Jahren bedeutet dies ein Rückgang von 80 Prozent. Damals zählte Essen mehr als 100 000 Sozialwohnungen. Wohnraum war seinerzeit knapp und begehrt, es entstanden Hochhaussiedlungen wie im Hörsterfeld, im Bergmannsfeld und Isinger Feld. Inzwischen sind Mietbindungsfristen dort abgelaufen.
20.000 Wohnungen stehen leer
Zwar wird gerade in jüngster Zeit wieder viel gebaut in Essen, der soziale Wohnungsbau aber ist zum Erliegen gekommen. Von Ausnahmen abgesehen wie am Stakenholt in Vogelheim, wo der Allbau 48 öffentlich geförderte Wohnungen baut, dafür aber 62 Wohnungen aus den 1930 Jahren abreißt.
Fördertöpfe werden seit Jahren nicht mehr ausgeschöpft. Weil die Zinsen auf dem Kapitalmarkt niedrig sind, erscheint Investoren eine öffentliche Förderung weniger attraktiv. So entstehen Neubauten in der Regel frei finanziert. Statt einer Sozialmiete können Vermieter verlangen, was der Mietspiegel – oder der Markt – hergeben.
Noch bestehe in Essen kein Mangel an Mietwohnungen, heißt es. Auch wenn Lage und Ausstattung nicht immer den gewünschten Standards genügen mögen. 20.000 Wohnungen stehen leer. Davon sei allerdings ein großer Teil aufgrund des schlechten Zustandes gar nicht mehr vermietbar, so Siw Mammitzsch, Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen.
Erste Wohnungen könnten in zwei Jahren fertig sein
Sollten sich die Befürchtungen der Mietervereine bewahrheiten, dürften auch Schrottimmobilien bald ihre Mieter finden. Siw Mammitzsch warnt vor einem Verdrängungswettbewerb, dem sich sozial schwächere Bevölkerungsgruppen wie Empfänger von Sozialleistungen, aber auch Rentner ausgesetztsehen könnten. Denn die Hälfte aller Essener Haushalte, die zu Miete wohnen, hätten aufgrund des niedrigen Einkommens bereits Anspruch auf eine Sozialwohnung, betont Anja Eymann-Kasper vom Mieterverein Essen. Auch ohne Flüchtlinge, denen die Stadt ein Dach über dem Kopf anbieten muss, bestehe Handlungsbedarf mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen.
Der Appell richtet sich an Bund und Land, die Zuschüsse zahlen sollten, um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln, aber auch an die Stadt und an den Allbau als kommunales Unternehmen. Dort ist die Botschaft offenbar bereits angekommen. Laut Geschäftsführer Dirk Miklikowski wird die Wohnungsgesellschaft ihre Investitionen an der „aktuellen Notsituation ausrichten“ und den sozialen Wohnungsbau forcieren. Die ersten Wohnungen könnten laut Miklikowski in zwei Jahren fertiggestellt werden.