Essen-Borbeck. Klasse statt Masse: Individualisten schätzen betagte Autos. Die Interessengemeinschaft Oldtimerfreunde Borbeck ist ein Treff für Gleichgesinnte geworden.
Diese Männer glauben noch an das Gute im Auto. Sie pflegen alte Schätzchen, machen sie flott, halten sie in Schuss. Sie schrauben, basteln und polieren. Und sie bekommen große Augen, wenn auf einem Kennzeichen das „H“ prangt, das den Oldtimer-Status des Fahrzeugs offiziell besiegelt. Sie – das sind die „Oldtimerfreunde Borbeck“. 2014 haben sie sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengetan. Nun zählt der Club 23 Mitglieder.
Ein Anlass, bei dem die Oldtimerfreunde inzwischen jedes Jahr geschlossen auftreten, ist die Autoschau in Borbeck. Als eine Art Gegenbewegung zum Mainstream. Denn: Traditionell stellen Autohändler bei dieser Veranstaltung ihre allerneuesten Modelle vor. Das ist nichts für Giovanni Graffweg. „Ob da nun ein Mazda steht oder ein Hyundai – die sehen doch alle gleich aus“, sagt der 34-Jährige. Sein Herz schlägt für amerikanische Autos. Oldtimer aus den USA, um genau zu sein. Seit seiner Kindheit schwärmt er für den Ford Mustang. Früher, beim Autoquartett, konnte er mit diesem Wagen alle anderen Autos schlagen. Motorleistung, Höchstgeschwindigkeit, Beschleunigung – beim Kartenspiel war der Mustang stets der Super-Trumpf. Heute, Jahre später, fährt Graffweg genau dieses Modell. Ford Mustang. V8. Baujahr 1968.
Hohe Oldtimer-Dichte im Ruhrgebiet
Galoppierendes Pferd am Kühlergrill. Ein wahr gewordener Kindheitstraum. Graffweg brachte den Stein ins Rollen, der zur Gründung der Oldtimerfreunde führte. Er wollte die Borbecker Autoschau erweitern – um eine Oldtimer-Ausstellung. Also machte er sich auf die Suche nach Mitstreitern. Mit Erfolg. Im ersten Jahr, 2013, standen 25 alte Autos auf dem Dionysiuskirchplatz. Im zweiten Jahr schon 54. Und beim Oldtimer-Treffen in diesem Jahr kamen 50 Autos zusammen – es wären noch mehr geworden, wenn im Vorfeld der Wetterbericht mitgespielt hätte.
Ob Auto, Motorrad oder Traktor – bei den Oldtimerfreunden sind alle Fahrzeuge willkommen. Sofern sie das entsprechende Alter haben. Das „H“-Kennzeichen, das ein altes Auto zum Oldtimer macht, gibt es erst, wenn der Wagen mindestens 30 Jahre alt ist. Das Fahrzeug von Thomas Vaupel (56), Gründungsmitglied, erfüllt dieses Kriterium. Er ist unterwegs mit einem britischen Klassiker. Dem Triumph TR6. Der Roadster wurde zwischen 1968 und 1976 gebaut – Vaupel schenkte sich ein Modell dieses Sportwagens zu seinem 50. Geburtstag. „Der Oldtimer-Markt wächst“, sagt Heinz-Peter Kornapp (59). Dann erwähnt er eine Statistik, nach der gerade im Ruhrgebiet die Oldtimer-Dichte besonders hoch sein soll. „Gerechnet auf 1000 Einwohner gibt es hier bundesweit die meisten Oldtimer.“
Kornapp, ebenfalls Gründungsmitglied der Oldtimerfreunde Borbeck, fährt einen Volvo Amazon. Knallrot. Top-gepflegt. Baureihe P121. Ein Hingucker! Stellt er den Wagen am Straßenrand ab, bleiben Passanten stehen und blicken in den Innenraum. Vor fünf Jahren hat Kornapp das Schmuckstück bei einem Händler in Bonn entdeckt. Flugs war der Kaufvertrag unterzeichnet, zwei Wochen später bekam Kornapp die Schlüssel. „In den 14 Tagen davor hab ich keine Nacht ruhig geschlafen. Ich hab’ immer rote Volvos gesehen.“
Mit dem Amazon auf Tour
Der Volvo Amazon ist heutzutage ein seltenes Auto. Kurios, dass in Borbeck ein weiteres Amazon-Modell unterwegs ist. Es gehört Werner Tölle. Der 67-Jährige gehört ebenfalls zum Kreis der Gründungsmitglieder der Oldtimerfreunde. Tölle ist ein Autokenner – auf der Autobahn sieht er auf 1000 Meter Entfernung, ob es sich lohnt zu beschleunigen, um ein interessantes Modell, das vor ihm fährt, näher zu betrachten – jüngst so geschehen, als er einen alten BMW am Horizont erspähte.
Tölle und seine Kollegen wollen auch die Begeisterung für ihr Hobby mit Gleichgesinnten teilen. Die Oldtimerfreunde Borbeck treffen sich einmal im Monat zum gemeinsamen Abendessen am Stammtisch, auf der Suche nach Ersatzteilen ziehen sie zusammen über die Trödelmärkte, sie tauschen Erfahrungen aus, helfen sich gegenseitig beim Schrauben an den Autos, und sie knattern bei Ausfahrten mit ihren alten Schätzchen über die Landstraßen. Ziel der Touren sind häufig Treffen befreundeter Clubs. „Von März bis Oktober gibt es so viele Veranstaltungen für Oldtimer-Fans, da kann man gar nicht überall dran teilnehmen“, sagt Heinz-Peter Kornapp. Ein Termin ist in seinem Kalender jedoch schon fest markiert: der 29. Mai 2016. Dann findet die nächste Oldtimerschau in Borbeck statt.