Essen. Ein 87-Jähriger beschädigte das Auto eines Nachbarn in Essen. Doch für die folgende Fahrerflucht ist er nicht haftbar zu machen. Er wurde freigesprochen.

Am Ende der Sitzung gibt Amtsrichterin Monique Dreher dem 87 Jahre alten Angeklagten den grauen Führerschein zurück. Angeklagt war der frühere Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende eines Dax-Konzerns wegen Unfallflucht. Doch ein Gutachten entlastete ihn, so dass die Richterin ihn freisprach.

Die Anklage war kurz und knapp. Beim Rückwärtsfahren aus seiner Einfahrt in Rellinghausen hatte der Senior seinen Mercedes 500 SEL am 28. April gegen den Mercedes seines Nachbarn gelenkt und war dennoch mit seiner Frau auf dem Beifahrersitz losgefahren. Obwohl er den Unfall, Schaden von 3043,36 Euro, bemerkt haben müsste, hätte er den Unfallort vorsätzlich verlassen.

Dem wirklich rüstigen Rentner ist die frühere berufliche Position immer noch anzumerken. Selbstsicher macht er sein Wort. „Das ist absolut falsch, was Sie da vorgelesen haben“, weist er den Vorwurf in Richtung Staatsanwaltschaft zurück. Denn vorsätzlich geflüchtet sei er nicht: „Ich habe den Unfall nicht bemerkt. Und meine Frau auch nicht.“ Die Anklagebehörde hätte seine Unschuld schon mit einer Umfrage im Freundeskreis ermitteln können: „Wer uns kennt, der weiß, wir hätten uns bei den Nachbarn gemeldet, wenn wir es bemerkt hätten.“

Angeklagter hält sich für fit: „Wir sind noch gut dabei“

Verteidiger Lenhard Teigelack muss manches Wort schon mal laut für den Mandanten wiederholen – aber Vorbehalte wegen des fortgeschrittenen Alters hält der Angeklagte für nicht angebracht, auch was seine Frau betrifft: „Wir sind noch gut dabei, auch wenn wir nicht mehr die Jüngsten sind.“ In Flensburg, so sagt er, liege gegen ihn auch nichts vor.

Eigentlich schien der Fall dennoch eindeutig gegen den Angeklagten zu laufen. Denn zwei Passanten waren durch einen lauten Knall am Nachmittag des 28. April aufgeschreckt worden. Und diesen Lärm sollte der 87-Jährige nicht bemerkt haben?

Doch Gutachter Markus Nickel hatte das Unfallgeschehen rekonstruiert. Wegen des langen Hecks des Mercedes älteren Baujahrs sei das Ende des Autos für den Fahrer nicht zu erkennen, optisch hätte der Angeklagte den Unfall also nicht wahrnehmen können. Akustisch auch nicht, weil das Auto mit einer Doppelverglasung besonders gedämmt sei. „Wie ein Panzer“, sagt ein Zuhörer. Und die Erschütterung müsse der Fahrer nicht bemerken, weil der Bereich der Tür des beschädigten Pkw „ganz weich“ sei. Kurz gesagt: Der Unfall war für den Autofahrer nicht wahrnehmbar, auch nicht für einen weit jüngeren. Und folgerichtig bekam er nach dem Freispruch seinen Führerschein zurück.