Essen. Zwei Menschen starben bei dem Unfall. Doch dem angeklagten Autofahrer, 86 Jahre alt, konnte das Gericht keine Schuld nachweisen.

Ein trauriger Fall, ein sachliches Urteil. „In dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten also, sprach Amtsrichterin Heike Stumm den 86 Jahre alten Angeklagten vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Er hatte im Dezember 2011 auf der Frankenstraße zwei Fußgänger angefahren und tödlich verletzt. Das Gericht sah keinen Fahrfehler des Seniors und stufte den Unfall als unvermeidbar ein.

Die Anklage hatte noch von leicht überhöhter Geschwindigkeit gesprochen. Aber dass der damals 83-Jährige wirklich 55 Stundenkilometer statt der im Bereich der Haral­­d­straße damals erlaubten 50 fuhr, ließ sich von den Verkehrsgutachtern nicht zweifelsfrei feststellen. Möglicherweise hatte ihn auch ein Auto im Gegenverkehr geblendet.

Rückschlüsse auf das Tempo des Toyota-Fahrers

Am 7. Dezember 2011 hatte der damals 83-Jährige seinen Toyota Corolla vom Stadtwaldplatz kommend in Richtung Bredeney gesteuert. In Höhe des Hauses 334 betraten um 17.35 Uhr zwei Fußgänger die Straße: ein gehbehinderter 89 Jahre alter Mann mit seiner Betreuerin, 58 Jahre alt. Ungebremst rammte der 83-Jährige die beiden mit seinem Auto, schleuderte sie auf seine Motorhaube. Die beiden starben wenige Stunden später an den Folgen ihrer schweren Verletzungen.

Vor Amtsrichterin Stumm ging es vor allem um die Frage, ob ein sicherer Ablauf des Unfalls festgestellt werden kann, ob sich anhand der Verletzungen der beiden Opfer und Verformungen des Autos Rückschlüsse auf das Tempo des Toyota-Fahrers ziehen ließen. Aber das war aus Sicht von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht möglich. Lediglich die Anwälte der Nebenklage, die Angehörige der Getöteten vertraten, sahen eine Schuld des angeklagten Autofahrers.

Fahreignung wurde nie geprüft

Der verfolgte die Verhandlung mit müde wirkenden Augen. Seinen Führerschein hat der frühere Handelsvertreter bis heute behalten. Freiwillig hätte er aber im Jahre 2013 darauf verzichtet, weiterhin selbst Auto zu fahren. Zum Unfallhergang gab er vor Gericht an, er sei damals voll auf ein Auto konzentriert gewesen, das vor ihm fuhr. Plötzlich sei etwas vor ihm aufgetaucht.

Richterin Stumm hielt sich an die Fakten, und das waren nicht gerade viele. „Ein Tempoverstoß ist dem Angeklagten nicht nachzuweisen“, fasste sie die Gutachten zusammen. Nicht auszuschließen sei zudem, ob ein Auto auf der Gegenfahrbahn den Senior derart geblendet hatte, dass er die Fußgänger nicht gesehen hatte.

Als unverständlich rügte die Richterin, dass bislang niemand untersucht hätte, wie schnell der Angeklagte auf eine unvermittelte Handlung überhaupt reagieren konnte. Seine Fahreignung sei von den Behörden nach dem Unfall niemals geprüft worden.