Essen. NRW-Innenminister Ralf Jäger hatte erst kürzlich den Städten Verstärkung angekündigt, in denen es regelmäßig zu Gewalt unter Großfamilien kommt.

Essen bekommt keine zusätzlichen Polizisten. Damit rudert das NRW-Innenministerium wieder zurück. Vor rund drei Wochen hieß es aus Düsseldorf noch, das Präsidium erhalte zeitnah personelle Verstärkung. Denn auch in Essen muss die Polizei regelmäßig zu Einsätzen ausrücken, weil es zu gewalttätigen Streitigkeiten unter Großfamilien kommt. Nun stellt Minister Ralf Jäger in einem Bericht zum Unterausschuss Personal (25. August) fest, dass eine sofortige Verstärkung der personalstarken Kreispolizeibehörden Dortmund und Essen „aufgrund der derzeitigen Lageentwicklung nicht erforderlich erscheint“.

Einsätze bis tief in die Nacht

Dabei war die Essener Polizei erst kürzlich mit Großaufgebot bis tief in die Nacht damit beschäftigt, eine Gruppe von 100 streitenden Männern in den Griff zu bekommen, die sich auch mit Messern schwer verletzten. In Altendorf kam es jüngst nach einem Verkehrsunfall mit verletztem Kind zu Tumulten, als zahlreiche Angehörige dafür sorgten, dass der Notarzt den Jungen erst behandeln konnte, nachdem die Polizei massiv eingegriffen hatte.

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Von Dominika Sagan und Frank Preuß

Nicht nur mit Blick auf diese beiden Fälle reagiert daher Heiko Müller, Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Essen und Mülheim, mit großem Unverständnis auf die Rolle rückwärts des Ministers. Gerade noch hatte sich Müller darüber gefreut, dass die Politik endlich den dringenden Handlungsbedarf erkenne, „jetzt wird die Lage völlig anders eingeschätzt“, sagt er enttäuscht, aber auch wütend. Die Kehrtwende treffe nicht nur seine Kollegen, sondern auch die Bürger. Es reiche für die Polizei nicht, kurzfristig Verstärkung nur zu erhalten, wenn die Lage bereits eskaliere. Dann rücken Polizeikräfte aus anderen Städten sowie die Hundertschaften an, um der Situation Herr zu werden.

Duisburg bekommt Unterstützung

Während Duisburg nun bis Ende des Jahres täglich Unterstützung von 38 Beamten der Hundertschaft erhalte, geht Essen leer aus. Brauchen Behörden im Einzelfall zusätzliches Personal, werde darüber gesondert entschieden, heißt es aus dem Ministerium. In Gelsenkirchen werde die Lage noch geprüft.

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Die Situation in Essen wurde bereits genauer betrachtet, mit dem Ergebnis: Die Polizei sei bei den Einsätzen mit Großfamilien mit entsprechender Polizeistärke kontinuierlich und konsequent eingeschritten. Diese Einsätze werden oft dadurch erschwert, dass die Beteiligten zahlreiche Angehörige hinzurufen und sich rasch große Menschenmengen gegenüberstehen. Genau das soll laut Ministerium nicht mehr der Fall sein, „diese Ansammlung von Personengruppen“ begleite die Polizeieinsätze nicht mehr.

Probleme in essen werden offenbar ignoriert, meinen Kritiker

Eine Fehleinschätzung, meint der FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel, der die Entwicklung vor Ort mit Sorge betrachtet. Die tatsächlich bestehenden Probleme in Essen jedoch würden wieder einmal in Düsseldorf ignoriert. „Das ist eine herbe Enttäuschung nach zuvor trügerischer Hoffnung für das Essener Präsidium“, so Witzel. „Wir dürfen den so auftretenden Clanmitgliedern keine rechtsfreien Räume bieten“, fordert Thomas Kufen (CDU). Essen brauche mehr Polizei in der Öffentlichkeit. Der Minister müsse umgehend handeln, „nicht erst wenn hier Verhältnisse wie in trostlosen Pariser Vororten herrschen.“ Das Präsidium äußerte sich nicht, man wolle die Debatte im Düsseldorfer Ausschuss abwarten, hieß es.