Essen. Corinna Nilson lässt sich in „Hanni- Schicksalsjahre einer Putzfrau“ zu tief greifenden Veränderungen hinreißen. Premiere im Theater Freudenhaus
Hanni Wickelmann hat es nicht leicht: Erst musste sie sich nach zwei Schwangerschaften mit perfekten Müttern auf dem Spielplatz rumschlagen, dann wurde ihre Arbeit als Schneiderin Opfer der fortschreitenden Technik, und nun kommt ihr Mann als Versicherungsvertreter mit der Kohle kaum auf einen grünen Zweig. Obwohl sie sich tapfer mit mehreren Stellen gegen Hartz IV wehrt, ist es schon mühsam, dem Anspruchsdenken der Kinder gerecht zu werden und die Bequemlichkeit nebst fehlender Anerkennung von Gatte Rainald auszuhalten. Also putzt sie, wo sie nur kann, und sagt nichts. Bis sie eines Abends im Theater überraschend auf Publikum trifft, das ihr zuhören muss.
Zugegeben, der Einstieg, den Autor und Regisseur Sigi Domke für sein Stück „Hanni – Schicksalsjahre einer Putzfrau“ wählte, ist nicht neu, aber bewährt. Denn Schauspielerin Corinna Nilson darf sich nun als Quasselstrippe entpuppen, die selbst vor Zuschauerbeteiligung nicht zurückschreckt. Das kann man mögen, muss man aber nicht. Doch an dem unverblümten Charme der Ruhrgebietsfigur, ihrer Gewitztheit und Bodenständigkeit kommt man einfach nicht vorbei. Die schräge Pottsprache zaubert vielen ein Lächeln ins Gesicht, gar nicht zu reden von den genauen Alltagsbeobachtungen, für die der Komödienschreiber bekannt ist.
„Ghostbusters“ lassen grüßen
Da ihn auch die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Hanni Wickelmann gereizt haben, driftet er ab ins Absurde. Hanni trifft auf der Bühne Kaiserin Agrippina. Nicht ganz einfach bei einem Solo. Gelöst hat Sigi Domke das Problem mit dem Besitzergreifen des anderen Körpers, was vor allem aus Filmen bekannt ist. In diesem Fall lassen die „Ghostbusters“ grüßen. Mit Flackerlicht fährt der Hanni die nicht gerade zimperliche Stadtgründerin Kölns in die Knochen, die just 2000 Jahre auf dem Buckel hat, ihren Onkel zum Mann wählte und den Brandstifter schlechthin (Nero) großzog. Der kleine historische Crashkurs öffnet unserer Putzfrau die Augen. So eine will sie nicht zum Vorbild. Aber ein bisschen mehr Selbstbewusstsein und Zielstrebigkeit guckt sie sich ab. Rainald kann sich jetzt warm anziehen.
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Zum Vergnügen der Zuschauer bewältigt Corinna Nilson ihren Parforceritt durch die Zeit glänzend. Sie wischt und wedelt, stimmt Abba-Lieder vom großen Geld an und beeindruckt mit Liebe zum Detail. Ihre Hanni ist eine, mit der man sich identifizieren kann. Die Katastrophen des Alltags schrammen nur die Oberfläche. Und zwar so leicht, wie es sich für eine Sommerkomödie gehört. Viel Applaus für die Premiere.