Essen. . Die Polizei warnt Familien vor Derbys und RWE-Spielen? Polizeipräsident Frank Richter versichert, falsch zitiert worden zu sein. Der Stadionbesuch sei für Familien „ungefährlich“.
„Polizei warnt Familien vor Pokalderbys.“ Unter dieser dramatischen Schlagzeile berichtete die Rheinische Post am 8. August, in der aufgeheizten Atmosphäre vor dem Pokalschlager zwischen Rot-Weiss Essen und Fortuna Düsseldorf, über die Sicherheitsvorkehrungen vor dem „Hochrisikospiel“. Mehr noch: Den Essener Polizeipräsidenten Frank Richter – er hatte vor dem Spiel eine Pressekonferenz gegeben – zitiert der Autor gar so: „Ein völlig sorgloser Besuch im Fußballstadion für Familien ist leider kaum noch möglich.“ Immer wieder, heißt es im Artikel zu Richters Ausführungen, würden „Familien mit Kindern zwischen die Fronten geraten“. Diese Darstellung und die Zitate verärgerten nicht nur viele Fußball- und RWE-Fans – sondern auch den zitierten Behördenchef selbst: „Ich war richtig sauer!“
Bis heute, so Richter, habe er sich „fünf Dutzend Male“ für den Artikel rechtfertigen müssen – auch vor Freunden. Was er all den Empörten versichert: „Da ist etwas geschrieben worden, was ich nicht gesagt habe.“
„Als Kind des Ruhrgebietes muss man das gemacht haben!“
Stattdessen habe er die strengen Sicherheitsmaßnahmen verteidigt und „gesagt, dass ich will, dass Fußball weiterhin ein Familienspektakel bleibt und dass mit Hilfe der Polizei weiter alle sicher auf den Fußballplatz gehen können.“ Eine Gefahr für Familien mit Kindern sieht Richter selbst bei Brisanzspielen an der Hafenstraße nicht: „99 Prozent der Zuschauer gehen gut damit um. Und von den B- und C-Fans (Gewaltbereite, d. Red.) greift niemand Familien an.“ Deren Feindbilder seien andere Fanszenen oder Polizisten. Drum empfiehlt der 56-Jährige, selbst RWE-Fan seit Kindesalter an, Familien sogar: „Gehen Sie zu RWE und erleben Sie das Gemeinschaftsgefühl! Als Kind des Ruhrgebietes muss man das gemacht haben! Das ist nicht gefährlich!“
Andrea Nnaji aus Rüttenscheid war 2010 das erste Mal mit ihrem Sohn Lennard an der Hafenstraße. Der heute Elfjährige hatte im Feriencamp Freikarten bekommen. „Ich hatte Respekt“, erinnert sich seine Mutter: „Aber als wir im Stadion waren, habe ich mich von der ersten Minuten an heimisch gefühlt – und auch sicher.“ Seit 2012 haben sie und Lennard Dauerkarten für die Rahn-Tribüne, bei Auswärtsspielen stehen sie nicht weit entfernt vom harten Kern der Fanszene: „Wir haben uns nie unsicher gefühlt, hatten auch nie Probleme mit Anhängern der Gegner.“
Unbeteiligte an der Hafenstraße seit 2012 nicht verletzt
Nur zweimal hatte Nnaji ein „mulmiges Gefühl“: zuletzt, als Randalierer 2014 gegen den MSV ein Fluchttor zum Spielfeld öffneten und Lennard als Balljunge auf dem Platz stand; davor 2012 bei einem Spiel gegen Wuppertal im alten Georg-Melches-Stadion. „Damals standen Gästefans noch direkt neben Essener Publikum“. Im neuen Stadion werden die Lager strenger getrennt. Damals, im März 2012, wurde laut Polizei das letzte Mal ein an Krawallen unbeteiligter Zuschauer bei einem RWE-Heimspiel leicht verletzt: Eine Frau ließ sich untersuchen, weil sie Reizgas abbekommen hatte, das die Polizei eingesetzt hatte.
Der RWE-Vorsitzende Michael Welling nimmt seine vier und sechs Jahre alten Töchter selbst gerne mit ins Stadion, manchmal besuchen die Mädchen an Papas Hand sogar die Stehplätze auf der Westkurve: „Ich bin seit fünf Jahren hier und noch nie habe ich gehört, dass eine Familie zu Schaden gekommen ist.“ Tatsächlich sei das „Stadion-Erlebnis mit Kindern nie so gut wie heute“ gewesen. Um so mehr ärgert ihn der Artikel über die Pressekonferenz, die er selbst (ganz anders) erlebt hat: „Solch eine Berichterstattung ist ruf- und geschäftsschädigend – schlicht falsch.“