Essen. . Der Oberbürgermeister-Kandidat der CDU, Thomas Kufen, hat einen Brief an ausgewählte Essener geschickt. Nicht jeder freute sich über die Post.
Der Brief beginnt förmlich und wird bald persönlich: „Sehr geehrte Frau Schneider, Essen ist meine Heimatstadt. Ich bin hier geboren, aufgewachsen, zur Schule gegangen. . .“ Verfasser ist Thomas Kufen, der als Oberbürgermeister-Kandidat für die CDU antritt und dieser Tage ausgewählte Bürger anschreibt. Bloß: Beate Schneider (Name geändert) will Kufen weder wählen noch Post von ihm. „Ist das überhaupt mit dem Datenschutz vereinbar?“, fragt die Brieffreundin wider Willen.
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Eine ähnliche Frage hat die Stadt schon 2014 beantwortet – mit Ja: „Nach dem Meldegesetz für das Land NRW darf die Meldebehörde an politische Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Parlaments- und Kommunalwahlen, Volksbegehren, Volksentscheiden und Bürgerentscheiden Auskunft aus dem Melderegister erteilen.“ Wer das nicht wolle, könne dem widersprechen – mit Post ans Bürgeramt Hollestraße 3 oder telefonisch: 88 33 222.
Freilich stammen die Adressaten von Thomas Kufen nicht aus dem Melderegister, verrät sein Pressemann Richard Röhrhoff. Da hätte Kufen lediglich zwei komplette Alters-Kohorten auswählen können, etwa die 30- bis 40-Jährigen und die 50- bis 60-Jährigen. „Das ist uns zu allgemein. Es nutzt ja nichts, wenn sie jemandem schreiben, der nie und nimmer CDU wählen würde.“
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Darum mietete Kufens Team Adressen von der Deutschen Post Direkt, „bei der wir sozio-demographische Vorgaben zu den Adressaten machen konnten“. Ob Kufen nach Postleitzahlbezirk oder Einkommen entschied, ob er Tierliebhaber, Autofreaks, Familienväter oder Fußballfans auswählte, sagt Röhrhoff nicht. Auch die Anzahl der Briefe und die Kosten bleiben geheim. Die Deutsche Post Direkt äußert sich hier ebenfalls nur vage: Der Preis bemesse sich „in Abhängigkeit von der Menge der Adressen und der Art und Anzahl der Selektionsmerkmale“. Kenner gehen davon aus, dass eine Anschrift 50 Cent bis einen Euro kostet, inklusive Papier und Porto.
Vereinzelt Briefe an Verstorbene
Die meisten der Daten seien ohne Personenbezug und stammten aus frei verfügbaren Quellen, etwa vom Statistischen Bundesamt oder vom Kraftfahrt-Bundesamt, erklärt Postsprecher Dieter Pietruck. Und bei den exakten Namen und Adressen, die für die Aktion verwendet wurden, setze die Post „die datenschutzrechtlichen Bestimmungen in vollem Umfang um“. Dazu gehört, dass Kufen – wie jeder andere Kunde – die Adressen gar nicht sieht: Seine Briefe werden von der Deutschen Post Direkt versendet.
DemokratieWen er anschrieb, erfährt Kufen also nur, wenn ihm jemand antwortet. Erste Reaktionen auf die Aktion gebe es schon, sagt Röhrhoff: „Ein Mann erzählte, er habe immer die Grünen gewählt, nun bekomme Kufen seine Stimme.“ Wer den Brief aber als Belästigung ansehe, der finde am Ende einen Hinweis auf die Widerspruchs-Möglichkeit. Er bedauere allerdings sehr, dass einzelne Briefe an Verstorbene geschickt worden seien.
Für Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) ist das ein Grund, auf eine solche Aktion zu verzichten. Es sei für die Angehörigen zu schmerzlich, wenn Post an den verstorbenen Mann eintreffe. Auch was die sonstige Genauigkeit der Daten angehe, ist er skeptisch – aus persönlichen Gründen: Selbst bei ihm zu Hause sei Post von Kufen eingetroffen, für seinen jüngeren Sohn. Auf die Frage, ob der seine Stimme dem CDU-Mann geben könnte, sagt Paß: „Es gilt das Wahlgeheimnis. Aber dass meine Söhne mit mir auf Plakaten zu sehen sind, könnte hier ein Hinweis sein.“
Die Essener OB-Kandidaten bei Abgeordnetenwatch: