Essen. . Mit Hundertschaften, Schwerpunktkontrollen und Observation wollen die Ermittler die Diebes-Drahtzieher stellen - denn die Fallzahlen steigen extrem.
Im Kampf gegen extrem steigende Einbruchszahlen setzt die Polizei längst Hundertschaften und Verkehrsdienst ein. Die Einsätze erfolgen über Grenzen hinweg, in der Stadt wurden Kontrollen erhöht, Schwerpunkteinsätze ausgeweitet, allein im ersten Halbjahr waren es 66. Die Observationen wurden intensiviert: Die Maßnahmen sind nicht neu, doch nun, da der Polizei die Fallzahlen davonlaufen, „betreiben wir sie mit riesigem Aufwand“, sagt Martina Thon, die Leiterin der Direktion Kriminalität über ihre geschärften Konzepte, die sie nun öffentlich macht.
Der Bürger soll den massiven Einsatz künftig stärker wahrnehmen, soll erfahren, wo aktuelle Brennpunkte liegen. Die Polizei will dem „falschen Eindruck entgegenwirken, nicht genügend Kräfte auf die Straße zu schicken, den Fandungsdruck nicht hoch genug zu halten“.
Jede Woche mindestens 70 Einbrüche
Allein im ersten Halbjahr haben Einbrecher bereits 1558 Mal zugeschlagen. Das sind fast 300 Wohnungseinbrüche mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Fälle sind nach der dunklen Jahreszeit, in der Einbrecher bisher Hochsaison hatten, nicht mehr abgerissen. „Es gibt kein Sommerloch, sondern jede Woche mindestens 70 Einbrüche“, nennt Thon eine Zahl für Essen und Mülheim. Vergangene Woche sank diese seit langem erstmals: auf unter 60. „Wir ziehen die Einsätze der Hundertschaft gnadenlos bis zum Ende des Jahres durch“, kündigt Thon an.
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Einen Grund für die explodierenden Zahlen sieht sie in den Reisebewegungen der Täter in der gesamten EU. Die Polizei hat genau diese „mobilen Täter im Visier“ (Motiv-Täter). Diese nutzten das gut ausgebaute Autobahnnetz, über das sie in die Stadt einfallen und genauso schnell wieder verschwinden – über Grenzen hinweg. Das erschwert zudem die Aufklärung der Taten, die Aufklärungsquote liegt bei kaum zehn Prozent. „An meinen Kollegen kann das nicht liegen, sie reißen sich ein Bein aus“, sagt Thon. Wenn man sehe wie diese ackern, könne man sich über diese Aufklärungszahl noch freuen.
Sektorenkarten mit den Hotspots der Stadt
Hochmotiviert seien auch die Kräfte der Hundertschaft, sagt Bodo Buschhausen, Chef des Einbruchskommissariates. „Sie wühlen sogar in Zivil“, verbuchen Erfolge wie in Heisingen, wo sie drei Täter schnappten. Und die Beamten des Verkehrsdienstes haben nicht nur das Tempo, sondern auch auf auffällige Wagen im Blick.
Die Polizei erarbeitet jetzt Sektorenkarten mit den Hotspots der Stadt. Die ersten Infos verlassen das Einbruchskommissariat in der Regel bereits ab 6.15 Uhr. An diesem Morgen bittet Buschhausen bei der täglichen Besprechung die Hundertschaft unter anderem nach Bredeney, Bergerhausen, Überruhr und Rüttenscheid auszurücken. Er überbringt noch eine gute Nachricht: ein Einbrecher-Pärchen von der Kronprinzenstraße sitzt in U-Haft – auch Dank ihres Einsatzes.
Zivilbeamte observieren indes intensiv Verdächtige, die als Hintermänner oder Serientäter erkannt wurden. „Wir verfolgen sie, bis wir sie haben“, so Thon. Einigen „Topleuten“ seien sie dicht auf den Fersen. „Wenn die vom Markt sind, hoffen wir auf Entlastung“, sagt sie.
Eine Entwarnung ist das nicht. In Essen ist niemand vor Einbrechern sicher: nicht im Süden, nicht im Norden, nicht im Einfamilienhaus oder in der sechsten Etage. Denn die Täter haben es auf ein paar Euro, Smartphone und Tablets abgesehen, all das finden sie bei jedem Bürger. Buschhausen rechnet vor: „Erbeutet ein Täter nur jeweils 100 Euro bei fünf Einbrüchen, hat er am Ende des Tages mehr als ich.“
Vorbeugen – auch ohne Kosten
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Ein wichtiger Baustein des aktuellen Polizei-Konzepts im Kampf gegen Einbrecher ist verstärkte Prävention. „An den Hotspots werden wir Bürger auf dem Wochenmarkt informieren“, sagt der zuständige Kriminalhauptkommissar Jürgen Dahles. Wie kürzlich in Kettwig und Kray, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg: „Während sich die Kettwiger interessiert zeigten, liefen 70 Prozent der Bürger in Kray an uns vorbei.“ Heißt für die Polizei: Dort, wo der größere Beratungsbedarf bestehe, sehen die Bürger ihn nicht. Eine Aufgabe werde sein, diese zu erreichen. Die nächsten Termine: 21. August, Altenessener Markt, 9-10 Uhr; Stoppenberger Markt, 11-12 Uhr.
Zu oft glaubten Bürger zudem, Vorbeugung sei teuer. „Man kann sich jedoch auch schützen, ohne einen Cent auszugeben.“ Viel zu häufig bleiben aber Fenster auf Kipp oder Wohnungstüren nicht abgeschlossen, wenn Bewohner etwa einkaufen gehen. Oder sie lehnen die Tür lediglich an, wenn sie nur „mal eben“ zur Nachbarin gehen.
Dahles rät aber durchaus auch zu technischen Sicherungen der Fenster und Türen als wirksamen Einbruchsschutz. Das sei deutlich wirkungsvoller als viel Geld in Kameras zu investieren, auf deren Bildern die Täter häufig vermummt vorbeihuschen. Die Zuständigen der Kriminalprävention und des Opferschutzes wollen nun verstärkt auf die Bürger zugehen, um ihre Dienststelle und die kostenlosen Beratungsangebote bekannter machen. Gleichzeitig sollen innerhalb von drei Tagen nach der Tat Nachsorgegespräche mit Opfern stattfinden.