Essen. Eine Initiative bekommt 194.000 Euro von der Stiftung Umwelt und Entwicklung, um in Sachen Verkehr die Karten in Essen und drumrum neu zu mischen.
Der Verkehr hört an der Stadtgrenze nicht auf – auch nicht für die Radfahrer, für die Bahn - und Busfahrer – vor allem für diejenigen nicht, die ihr Auto gelegentlich oder immer öfter stehen lassen wollen, aber nicht wissen wie – und nach Alternativen fragen, die wirklich welche sind.
Dass eine einzige Umweltinitiative bis 2018 insgesamt 194.000 Euro an Fördergeldern von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen (SUE) erhält, ist schon ungewöhnlich. Aber diese Initiative traut es sich zu, schlüssige Konzepte für die fünf Ruhrgebietsstädte Essen, Bochum, Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck zu erstellen, zu vernetzen und Projekte für „nachhaltige Mobilität“ zu starten.
Geo-Informationssystem in Vorbereitung
Es handelt sich dabei um die „Mobilität-Werk-Stadt“, die zum Essener Umweltverband „Runder UmweltTisch“ (Rute) gehört. Der Vorsitzende des Fördervereins „Mobilität-Werk-Stadt e.V.“, Georg Nesselhauf, der etwa mit ADFC, Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Verkehrsbetrieben zusammenarbeitet sowie Partner in Rathäusern und der Politik sucht, ist sich sicher. „Wir werden überall auf offene Türen stoßen.“ Weil selbst die großen Parteien an das Dogma der autogerechten Stadt nicht mehr glauben würden – und die Staus nur länger werden, wenn nicht mehr Menschen umsteigen. Der Mobilität-Werk-Stadt gehe es nicht darum, das Auto zu verteufeln, sondern vielmehr „intelligenter“ also weniger einzusetzen – und dann mit Elektroantrieb, über Carsharing oder als Nachbarschaftsauto.
Hier gelte es, über Angebote für umweltbewusste Autofahrer, für Radfahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs zu informieren. Nicht allgemein auf die Stadt bezogen, sondern in jedem Stadtteil von Karnap bis Huttrop und eben über die Stadtgrenzen hinaus – praktisch bis vor die Haustür. Die Mobilität-Werk-Stadt bereitet gerade eine Homepage vor, ein Geo-Informationssystem, in dem etwa Bewohner aus Essen nicht nur auf einen Klick alles über den nächsten Bus-Anschluss oder Carsharing-Angebote sowie die zeitsparendste Radverbindung erfahren, sondern auch auf einen Blick wichtige Entscheidungshilfen bekommen, ob man nicht lieber gleich zu Fuß gehen sollte – und wenn ja, welcher Weg etwa für Schulkinder der beste und sicherste ist.
Blick auf umliegende Städte könnte sich lohnen
Das sind nur einige Beispiele für jede Menge „Verkehrsinformationen“, die auf dieser Homepage ab Herbst eingespeist werden sollen. „Das wird unser Sahnehäubchen“, glaubt Nesselhauf.
Er will möglichst viele Partner – von der Evag bis zum Fahrradclub, von der Verkehrsverwaltung bis zur Wissenschaft, vom Rathaus bis zur örtlichen Initiative. „Wir wollen vernetzen“, sagt Vorsitzender Nesselhauf. So eng verknüpfen, wie es noch keiner zuvor gemacht hat, und hinsichtlich des Internetauftritts auch die Datensätze der anderen Mitspieler auf eine Plattform bringen.
Hier und da kann auf die Wiederholungstaste gedrückt werden. Denn was soll in Essen nicht gelingen, was in Gelsenkirchen bereits erfolgreich praktiziert wird? Etwa die Werbeaktion mit der Verkehrsgesellschaft Bogestra, es für eine Woche mit Bahn und Bus zu probieren. Oder eine Art Beschwerdekasten der Nahverkehrsnutzer, um nach Lösungen im betroffenen Viertel zu suchen – oder das Facebook-Projekt mit der Hochschule Gelsenkirchen, Studenten für den Umwelt-Verkehrsverbund zu gewinnen. Nesselhauf erkennt hier großes Potenzial: „Wir haben 200.000 Studierende in den fünf Städten.“
Große Chance
Die Mobilität-Werk-Stadt sieht gerade Essen in der Pflicht. 2017 trägt sie den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“. Nesselhauf: „Um sich europaweit als umweltgerechte Stadt darzustellen, muss beim Thema Mobilität noch einiges passieren.“
In diesem Punkt erkennt der grüne Verkehrsexperte Rolf Fliß, Vorsitzende des Bau- und Verkehrsausschusses der Stadt Essen, eine große Chance. Denn die Förderung durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung komme genau zum richtigen Zeitpunkt. Das Ziel der Stadt, die Mobilität zu Fuß, mit Rad und dem ÖPNV deutlich zu erhöhen, würde sonst kaum erreicht. Dass nun kreative, innovative Projekte finanziell gefördert werden, „das freut mich. Jetzt können Dinge umgesetzt werden, von denen wir nur geträumt haben.“