Essen. . RWE-Boss Michael Welling über die Rolle des Vereins in der Stadt, über sportliche und persönliche Ziele und über den Finanzskandal ums Stadion.
„Es kribbelt schon“, sagt Michael Welling, Chef von Rot-Weiss Essen, und meint keineswegs die Anspannung vor dem Interview mit der WAZ. Die neue Saison beginnt, am Samstag im Stadion Essen gegen den SC Wiedenbrück. Vorher stellte sich Michael Welling noch, gewohnt schlagfertig, unseren Fragen.
Herr Welling, es kribbelt doch sicher vor jedem Saisonstart?
Ja, aber dieses Mal noch ein bisschen mehr. Ich habe das Gefühl, dass wir nach der teilweise schwierigen letzten Saison viele mutige und richtige Entscheidungen getroffen haben. Beispielsweise mit unserem jungen und noch unbekannten Trainer. Und neuen Spielern, die zu uns passen. Diese Vorfreude spüre ich bei unseren Fans und im Umfeld, Vorfreude auf eine geile Saison.
Einer Ihrer Ansprüche ist, den Verein weiter zu entwickeln und noch mehr in der Stadt zu verankern. Kommen Sie voran?
Ich denke schon. Wir sind präsenter in der Stadt: mit dem Fanshop, der Vereinszeitung „Kurze Fuffzehn“, mit Plakaten. Über RWE wird geredet. Unsere Mitgliederzahl liegt bei knapp 5000, als ich 2010 anfing waren wir bei 2700. Unsere Sponsoring-Einnahmen sind in dieser Zeit von 1,2 Millionen Euro pro Jahr auf 3,6 Millionen Euro gestiegen. Darauf sind wir stolz. Diese positive Entwicklung wollen wir fortführen.
Die potenten Konzerne der Stadt halten sich trotzdem zurück.
Sponsoring ist nun mal ein Geben und Nehmen. Nur weil wir nette und engagierte Leute sind, zahlt keiner. Für die ganz großen Sponsoren werden wir deshalb erst interessant, wenn wir regelmäßig TV-Präsenz und damit Reichweite garantieren. Das ist erst ab der 3. Liga möglich.
Also Aufstieg!
Wir wollen uns sicher nicht in der Regionalliga etablieren. Jeder, der Fußball spielt, hat den Anspruch, zu gewinnen und aufzusteigen. Wir können uns in einigen Bereichen mit Zweitligisten vergleichen: die Fans, das Stadion, die Stimmung. Wir sind auch sportlich gut aufgestellt. Aber es gibt in der Liga Mannschaften, die deutlich mehr Geld haben als wir. Damit müssen wir leben. Das wissen auch unsere Fans. Und die meisten teilen die realistische Einschätzung. Deshalb empfinde ich keinen Erwartungsdruck.
Sie haben mal gesagt, RWE müsse und dürfe als Verein „rauer und rotziger“ sein als andere. Haben Sie nicht die Sorge, dass Sie so auch viele in der Stadt abschrecken?
Ein Verein, unser Verein bedient grundsätzlich viele gesellschaftliche Facetten, ist also heterogen. Wir sind, wie das im Ruhrgebiet ist, gerade heraus und sagen auch schon mal „Scheiße“. Da rümpft heute auch nicht mehr jeder die Nase. Am Ende ist die Glaubwürdigkeit ganz wichtig. Im Fußball merken die Fans, wenn man eine Rolle spielt. Wir wollen uns selbst treu bleiben, ohne dass wir überall gleich auftreten müssen. Wir können uns auch auf dem Stadtparkett präsentieren, weil wir authentisch sind. Und wir sind wichtig für die Essener Identität. So überragend viel hat die Stadt in diesem Punkt nicht zu bieten.
Gesundes Selbstbewusstsein haben Sie ja...
Aber durchaus zu Recht. Fragen Sie mal rum, wenn Sie unterwegs sind. Wenn von Essen geredet wird, sprechen die Leute von Zollverein, von Krupp und von Rot-Weiss Essen.
Wenn man von RWE spricht, landet man auch unweigerlich beim neuen Stadion, das die Stadt für viel Geld an die Hafenstraße gestellt hat.
Es ist ein Stadion für Essen, von dem die Stadt profitiert. Und von dem RWE profitiert. Es ist ein schönes, ein besonderes, ein tolles Stadion, in dem wir sehr gerne spielen.
Und eines, das zuletzt in einen Skandal-Strudel geriet.
Ja, und das lässt uns nicht kalt, schon weil wir auch Essener Bürger sind. Der Verein Rot-Weiss Essen hat da aber keine Karten im Spiel. Da verschwimmen ganz schnell die Ebenen, was diffamierend ist. Wir sollen immer wieder Dinge erklären, für die wir weder verantwortlich waren noch sind. Wir hätten mit Blick auf unsere Vereinsinteressen teilweise gern mehr Einfluss auf Entwicklungen und damit mehr Verantwortung gehabt. Aber das lag nicht in unserer Hand. Die handelnden Personen haben hier alle nach der Insolvenz 2010 angefangen.
Wie bewerten Sie die Insolvenz in der Rückschau?
Es war eine Zäsur. Und so hart die Insolvenz war, so wichtig war sie für den Verein.Die Insolvenz steht symbolisch für die Zeit, in der es hier nicht rund lief und in der es Misswirtschaft gab. Seitdem wird bei RWE vieles anders gemacht. Und das soll auch so bleiben.
Bleiben Sie dem Verein erhalten?
Ich habe einen Vertrag bis 2017.
Julian Draxler hat auch einen Vertrag auf Schalke. Und stand vor einem Wechsel nach Italien.
(lacht) Wenn ein anderer Verein für mich 30 Millionen Euro bezahlt, würden mich die Fans wohl selbst dorthin tragen. Aber danach sieht es nicht aus. Ich bleibe also. Warum auch nicht? Das letzte Jahr war auch schwierig und frustrierend für mich. Aber ich habe eine unfassbar spannende Aufgabe, die mir sehr viel Spaß macht. Und wir wollen hier noch Einiges erreichen. Das ist mein Antrieb. Als ich anfing, waren wir in der 5. Liga und lagen in Trümmern. Wenn wir es bis in die 2. Liga schaffen, würde mich das sehr stolz machen. Das bleibt mein Traum.