Essen. Alle Beteiligten sollten in der Notlage endlich mutig genug sein, die Dinge beim Namen zu nennen: Zelte sind Zelte. Ein Kommentar.
Auf seine Willkommenskultur wie auf die Unterbringung von Flüchtlingen ist Essen in jüngerer Vergangenheit zu recht stolz gewesen. Anders als Nachbarstädte musste man auf Lösungen wie Turnhallen und Zelte nicht zurückgreifen. „Wir können Asyl“, lobte Oberbürgermeister Reinhard Paß.
An diesem Mittwoch ist Essen auf dem Boden der Tatsachen gelandet: Auch hier werden Flüchtlinge künftig in Zelten untergebracht – und selbst der Rückgriff auf Turnhallen ist nicht vom Tisch. Wie angespannt die Lage ist, lässt sich auch daran ablesen, dass die 800 neuen Plätze nun im Zuge der Gefahrenabwehr geschaffen werden – um drohende Obdachlosigkeit zu verhindern: Andernfalls hätten Flüchtlinge womöglich vor Asylheimen campieren müssen.
Dieses Szenario vor Augen hat der Ordnungsdezernent allein und zügig entschieden – so dass nun ausgerechnet die Mega-Flüchtlingsdörfer mit je 400 Bewohnern ohne Segen des Rates entstehen werden. Da rächt sich auch, dass einige Ratsleute im vergangenen Jahr die Entscheidung über neue Unterkünfte immer wieder hinausgeschoben haben: Vor allem vor der Kommunalwahlen mochte niemand den Bürgern sagen, dass weitere Asylheime gebaut werden müssen, vielleicht vor ihrer Haustür.
Keine Alternative zu Zeltdorf
Hätte man damals mehr Mut gezeigt, wäre manches Heim schon fertig – und nicht erst in Planung. Allerdings hätte auch das die heutige Notlage nur abgemildert oder hinausgezögert. Denn richtig ist, dass niemand diese Wucht des Flüchtlingsstroms vorhersagen konnte. Den Verantwortlichen, die jetzt unter aberwitzigem Zeitdruck Betten suchen, gebührt daher Respekt.
Womöglich gab es zu Zeltdorf und Eilentscheid nun keine Alternative mehr. Alle Beteiligten sollten aber endlich mutig genug sein, die Dinge beim Namen zu nennen: Zelte sind Zelte, auch wenn sie stabil und winterfest sind. Provisorische Unterkünfte für 400 Menschen auf Sportplätzen haben nichts mit den Standards zu tun, die hier über Jahre ausgehandelt wurden. Da ist der Hinweis des OB, dass man diese mobilen Bauten von Aktionärsversammlungen kenne und sie auch für die Vorstände von Dax-Unternehmen gut genug seien, wenig hilfreich. Wenn sich 70 teils traumatisierte Menschen ein 250-Quadratmeter-Zelt teilen sollen, ist das eine Notlösung. Auch in Essen.