Essen. In Heidhausen, im Nordviertel und in Holsterhausen sollen jetzt Notunterkünfte für zunächst jeweils 250 Menschen entstehen.
Noch ist sie nicht offiziell und vielleicht auch noch nicht endgültig – doch die Entscheidung über die künftigen Standorte für die neuen Flüchtlingsdörfer ist gestern gefallen. Nach NRZ-Informationen plant die Stadt, zunächst jeweils 250 Asylbewerber auf den ehemaligen Sportanlagen am Volkswald an der Heidhauser Straße 141, am Altenbergshof, Altenbergstraße 14-16, im Nordviertel und an der Planckstraße 42 in Holsterhausen unterzubringen. Im Bedarfsfall wäre eine Erweiterung auf 400 Plätze pro Standort machbar, heißt es. Sollten die Kapazitäten danach noch nicht ausreichen, könnte eine vierte Einrichtung an der Hamburger Straße entstehen.
Heute sollen die Flächen noch einmal genauer auf ihre Eignung hin untersucht werden. So gab es gestern zum Beispiel Warnungen vor gefährlichen Altlasten auf dem Sportplatz im Nordviertel: Dort befindet sich Zinkasche im Boden. Doch nach Einschätzung der städtischen Umweltexperten droht keine Gefahr. Durch die acht Zentimeter dicke darüberliegende Schicht „normaler“ Asche sei kein Direktkontakt mit der Substanz zu befürchten.
Glaubwürdigkeits-Krise der Entscheider
Die Politik, die bei der aktuellen Entscheidung der Verwaltung nach dem Ordnungsrecht keine Karten im Spiel hat, reagierte gestern mehrheitlich verhalten auf die jüngsten Pläne. Wohl auch, weil niemand einen besseren Vorschlag hat, wie die Stadt massenhafte Obdachlosigkeit von in Essen gestrandeten Asylbewerbern verhindern könnte, wenn nicht durch den Bau von schnell zu errichtenden und erweiterbaren Modulen. Nur die Bürgerlich Alternative Liste (BAL) lehnte die Unterbringungspläne rundheraus als menschenunwürdig ab und hält die „Ballung im Essener Süden“ für „nicht integrationsfördernd“.
SPD, CDU, Grüne und Linke mahnten, dass die zeltähnliche Unterbringung nicht zu einer „Dauerlösung“ werden dürfe. Diese Formulierungen kommen einem bekannt vor. So lautete auch der Tenor, als die ersten Behelfsunterkünfte in ehemaligen Schulen entstanden. Sie sollten „so schnell wie möglich“ wieder aufgegeben werden. Doch nach wie vor sind sie am Netz und ihre Schließung ist längst kein Thema mehr. Die Entscheider von gestern sehen sich heute in der Glaubwürdigkeits-Krise, weil sie den Bürgern erklären müssen, warum in Zeiten wie diesen nichts länger zu halten scheint als ein Provisorium.
Sorgen um Schallschutz bei SPD
Für Kathrin Richter von der Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ ist die derzeitige Notsituation „ein teilweise hausgemachtes Problem“. Eine Einschätzung, die Grüne und Linke teilen. Der Beschluss für den dringend notwendigen Bau neuer Unterkünfte sei immer wieder herausgezögert worden. Jetzt fehlten die Plätze. Dennoch können die Flüchtlingsdörfer nur eine „vorübergehende Lösung“ sein, so Richter: 70 Menschen auf 250 Quadratmetern – „das ist sehr eng“. Es brauche separate Räume für traumatisierte und schutzbedürftige Flüchtlinge sowie für schwangere Frauen. Zudem sei gute Sozialbetreuung und Flüchtlingsberatung an so großen Standorten wie den geplanten unabdingbar.
Flüchtlingsdörfer in Essen
SPD-Ratsherr Karl-Heinz Endruschat, der den Gedanken ins Spiel brachte, lieber drei kleinere als zwei große Flüchtlingsdörfer zu schaffen, hält „das Herangehen der Stadtverwaltung für besser als die Belegung von Turnhallen“. Endruschat sieht das Vorhaben dennoch skeptisch, zum Beispiel was den Schallschutz angeht. Mehrere hundert Menschen an einem Standort mit fliegenden Bauten, „das wird nicht ganz unproblematisch verlaufen“.
Grüne erwägen Mietcontainer
CDU-Fraktionschef Thomas Kufen warnte davor, dass „die Willkommenskultur in unserer Stadt nicht in Gefahr geraten“ dürfe. Die Flüchtlingsaufnahme in NRW stehe kurz vor dem Kollaps. Die nun in Essen geplanten Flüchtlingsdörfer „verdeutlichen auf dramatische Weise, dass in NRW seit Wochen Krisenmodus herrscht, ohne dass ein nachhaltiges Konzept der rot-grünen Landesregierung erkennbar wäre“, so Kufen.
Die Grünen-Ratsfrau Christine Müller-Hechfellner appellierte an die Stadt, die leerstehende LVR-Klinik an der Barkhovenallee noch einmal auf ihre Tauglichkeit zur Flüchtlingsunterbringung hin zu überprüfen und über „Mietcontainer als denkbare Alternative zu den fliegenden Bauten“ nachzudenken.
Für die Fraktionschefin der Linken, Gabriele Giesecke, ist klar: „Sollten die Flüchtlingsdörfer unvermeidbar sein, gilt es jetzt auch hier menschenwürdige Standards festzusetzen.“ Es verbiete sich, auf 250 Quadratmetern 70 Menschen unterbringen. Zudem fehle der Nachweis, dass die zeltähnlichen Gebäude auch tatsächlich winterfest sind.