Essen-. Achtung: anarchische Spielfreude! „Uwaga!“ heißen die musikalischen Grenzüberschreiter, die Wagner gegen den Strich spielen und Mozart tanzbar machen.

Mozart groovt. Bach ba-rockt. Und „Schwanensee“ klingt mit Akkordeon betörend-schwül wie der „Dirty Dancing“ vergangener Jahrhunderte. „Uwaga!“ heißt die ungewöhnliche Formation, die den großen Werken der Klassik ihre ganz eigene, frische Note verleiht. „Uwaga!“, das heißt auf Polnisch „Achtung!“. Das Ausrufezeichen sollte man bedenken, weil hier nichts klingt, wie man es gewohnt ist. Gestandene Konzertgänger sollen zu Wagners Walkürenritt schon mit dem Fuß gewippt haben, während junge Zuhörer die Tanzbarkeit von Mozart entdeckten.

Kein Wunder also, dass man „Uwaga“ inzwischen in den kleinen Clubs genauso treffen kann wie in den großen Konzertsälen. Den Durchbruch hat ein Auftritt mit dem Folkwang Kammerorchester gebracht. In der erlauchten Villa Hügel zündeten „Uwaga!“ vor einem Jahr ein dermaßen mitreißendes Klangfeuerwerk, dass der Funke gleich weit über die Stadtgrenzen flog. Im nächsten Jahr werden die Düsseldorfer Symphoniker und die Dortmunder Philharmoniker ihre Kinder- und Jugendkonzerte mit „Uwaga!“ bestreiten.

Barock und Balkan-Sound

Crossover aus dem Kohlenpott, das klingt bei Christoph König, Maurice Maurer, Miroslav Nisic und Matthias Hacker eben nicht nach „Best of Klassik“ mit verlängerter Konsum-Haltbarkeit, sondern nach ungezügelter Improvisationslust und anarchischer Spielfreude, die keine Genre-Grenzen kennt. Gelernt haben die vier Musiker ihr Handwerk zum Teil an der Folkwang-Universität der Künste, wo der aus Serbien stammende Akkordeonist Miroslav Nisic unter anderem bei Akkordeon-Professorin Mie Miki studierte. Und Geiger Christoph König schon während des Studiums vom geradlinigen Weg hinein in den Orchestergraben immer wieder abgebogen ist.

„Uwaga!“ auf der Bühne

Ihr Zusammenspiel hat im vergangenen Jahr schon für Furore gesorgt. Nun stehen „Uwaga! und das Folkwang Kammerorchester wieder gemeinsam auf der Bühne. „Grenzenlos | Crossover über die Zeiten“ lautet das Motto des Konzerts, das am Sonntag, 20. September, 14 Uhr, in der Lichtburg zu erleben ist. Der Aufritt führt auch die erfolgreich gestartete Konzert-Reihe für Generationen fort. Tickets: 12 € inkl. einem Glas Sekt/Saft. Eintritt frei für mitgebrachte Enkel (bis 18 J).Karten 23 10 23.

Am 19. September kann man „Uwaga“ bereits bei der Dortmunder Museumsnacht im Museum für Kunst und Kulturgeschichte an der Hansastraße erleben. Mehr Infos und Termine: www.uwagaquartett.de

Mal liebäugelte er mit dem Punk-Punch der E-Gitarre, mal hing sein Herz am leidenschaftlichen Temperament der Gipsy-Musik. Und irgendwann fand er Mitspieler, die diese unterschiedlichen Einflüsse auf einen Nenner bringen wollten. Barock und Balkan-Sound, Klezmer, Jazz und Kammermusik finden in den Arrangements von König und Kollegen zu neuer Einheit. Und das Publikum, gleichermaßen überrascht wie mitgerissen, „wird tatsächlich immer jünger“, freut sich König.

„Jeder hat Lieblingsstücke mitgebracht“

Vielleicht ist es nicht der Königsweg, die Klassik für kommende Generationen frisch zu halten. Aber auf jeden Fall kennt das Quartett schon mal Wege, „König verschiedener Größen“ miteinander ins musikalische Gespräch zu bringen, so der Name eines Werks, in dem Christoph König eigene Arrangements mit Bach verbindet. Dieser Mix aus Altem und Eigenem ist der Reiz des Ensembles. Da wird Mozart nicht einfach an den Verstärker angeschlossen und Wagner in hippe Lederkluft gesteckt, sondern Klassik mit Verve in die Gegenwart überführt. Wenn aus Sibelius’ silbrigem Violinkonzert feurige Balkan-Rhythmen Funken schlagen, während die improvisationslustige Geige den „Walkürenritt“ ebenso stimmig gegen den klassischen Strich spielt wie das kecke Akkordeon und der perkussive Bass.

Da wird gezupft und geklopft, gekratzt und gejammt, bis Griegs „Bergkönig“ in der Bearbeitung mit „Rage Against The Machine“ zur irrwitzigen Berg- und Talfahrt für die Ohren wird. Am Anfang gab es dabei zwei Duos, jeweils mit Geige und Akkordeon besetzt, das eine eher klassisch orientiert, das andere eher dem Jazz zugetan. Der erste gemeinsame Auftritt hat gleich eingeschlagen, ein paar Monate später war das Quartett geboren. „Jeder hat Lieblingsstücke mitgebracht“, erinnert sich König. Und allmählich sind auch eigene Kompositionen entstanden. Manchmal gibt der klassische Komponist dabei den Ton an, mal sucht sich eine eigene musikalische Idee den passenden Partner im weiten Reich der Vielharmonie.

Ein Streifzug durch die Essener Musikszene

Sommer in der City; Zeit, auf den Sound einer Stadt zu hören, die nicht nur ein gefeiertes klassisches Orchester, große Konzertadressen und die Folkwang-Universität als Talentschmiede für junge Musiker hat. Auch abseits der etablierten Adressen hat Essen eine ungemein vielfältige Musikszene.

Die neue Reihe „Stadtmusikanten“ kann deshalb nur Schlaglichter werfen. Sie will Entdeckungen machen und Etabliertes präsentieren. Sie will nachhören, wo es in der Stadt rockt und groovt, aber auch die Meister der leisen Töne vorstellen. Sie erzählt, wie Weltmusik aus dem Kohlenpott klingt und wie Musiker aus aller Welt in Essen ihre neue musikalische Heimat gefunden haben.

Crossover-Stars wie David Garrett waren gewiss Tür- und Ohrenöffner für solche Experimente, trotzdem ist der Begriff für „Uwaga!“ schon wieder zu kurz gefasst. Aber anstatt sich an wilden Wortschöpfungen zu beteiligen, lassen „Uwaga!“ lieber den Reichtum der Musik sprechen. „Wir sind noch lange nicht an Grenzen gestoßen“, sagt König, der bereits auf die nächsten Projekte wie mit den Philharmonischen Orchestern aus Trier und Vorpommern verweist. Als musikalische Brückenbauer verzeichnen „Uwaga!“ längst mehr als Achtungserfolge.