Essen. Wegen unfairer Spielweise hat eine ganze Liga die Spiele gegen den BV Altenessen verweigert - der Kreisligaclub wurde automatisch Meister. Nun folgt der radikale Neuaufbau.
Die Furcht der Gastmannschaften begann schon am festungsartigen Eingang. Den Zutritt zum Vereinsgelände im Essener Norden versperrt ein blau gestrichenes Stahltor. Brennnesseln wuchern am Maschendrahtzaun. An der Außenmauer haben Unbekannte eine Zeichnung des Vereinslogos bis auf die Grundmauern eingetreten. "Behinderter Verein" steht danebengekritzelt. Doch der äußere Eindruck täuscht. Auf dem Sportplatz ist der Neuaufbau des BV Altenessen 06 im Gang - des Teams, das als Boykott-Meister zuletzt den Hass einer ganzen Liga auf sich gezogen hat.
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Nach mehreren Tumulten und Spielabbrüchen wurde die erste Mannschaft des Kreisligaclubs in der vergangenen Saison aufgelöst. Die Reserve machte es in der zweitniedrigsten Spielklasse nicht besser. Bei einer hitzigen Partie rastete der BVA-Kapitän im Februar wegen einer Schiedsrichter-Entscheidung aus, warf ihn zu Boden, schlug auf ihn ein. Der Täter wurde erst lebenslang vom organisierten Fußball ausgeschlossen, kam aber später mit einer geringeren Strafe davon.
Verein setzte einen Schleifer als neuen Trainer ein
Der Verband ließ das Team weiterspielen - zum Ärger der 14 anderen Mannschaften. Mitten in der Saison schlossen sie sich zusammen und boykottierten die Spiele gegen den BVA. Die Konsequenz: Altenessen wurde Meister und stieg automatisch in die höhere Klasse auf. Als Synonym für Gewalt im Amateurfußball machte Altenessen Schlagzeilen. Ein halbes Jahr zuvor hatte schon ein Spieler des Nachbarvereins DJK Juspo Altenessen II einen Gegner mit einer Kopfnuss niedergestreckt. "Mit Essen spielt man nicht", scherzte Stefan Raab in seiner Comedy-Sendung "TV Total".
"Angst-Meister", "Skandal-Mannschaft", "Prügel-Club": Ihr ramponiertes Image wollen die Altenessener mit einem radikalen Umbruch nun abschütteln. In der Sommerpause wechselte die Vereinsführung mehr als 20 Spieler aus und setzte einen Schleifer als neuen Trainer ein. Otto Prell - Ex-Landesliga-Coach mit generalstabsmäßigem Blick - gilt im Essener Fußball als Respektsperson.
"Alle denken, dass wir Prügelknaben wären"
Ob Rundenläufe in der prallen Sonne oder Liegestütz mit den Füßen auf dem Geländer: Rund vier Wochen vor Saisonstart müssen seine Kicker im Training knechten. Und auf dem Rasen schwitzen ein Dutzend drahtige junge Männer, die in ihren königsblauen Trikots nicht ansatzweise an Schläger erinnern.
"Er ist der härteste, aber auch der fairste. Du wirst fit bei ihm", sagt Mittelfeldspieler Fawad Asimi über den neuen Trainer. Der 26-Jährige gehört zu den letzten beiden Spielern, die in der vergangenen Saison im Kader standen. Seine Mannschaft sah er durch den Boykott zu Unrecht an den Pranger gestellt. "Die Liga wollte uns loswerden, weil wir als Störenfriede galten. Mit den Spielern der anderen Mannschaften kommen wir gut aus. Hier in Essen kennt doch jeder jeden", sagt er. "Alle denken, dass wir Prügelknaben wären. Wenn mal ein Spieler aus der Reihe tanzt, können wir anderen doch nichts dafür". Die Boykottteams sehen das anders: In einem Begründungsschreiben an den Verband und DFB hatten sie ein "unfaires, sogar brutales Verhalten einzelner Spieler" angemahnt.
Freiwilligen Disziplinarkurs nicht belegt
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"Altenessen muss alles wieder dafür tun, um sich wieder ins rechte Licht zu rücken", sagt der Vorsitzende des Fußballkreises Essen Nord/West, Thorsten Flügel. Bisherige Freundschaftsspiele seien zwar fair verlaufen, jedoch hätte das Team bis heute einen freiwilligen Disziplinarkurs nicht belegt. (dpa)