Essen. Eine große Schlägerei unter Libanesen endete in Essen mit einer fast tödlicher Halsverletzung. Das Motiv laut Anklage: Die Tochter hatte den falschen Freund.
Sie kamen aus dem Nichts. Mit sieben Autos fuhren sie am Abend des 31. Juli 2014 ins nach außen idyllisch wirkende Eltingviertel am Rande der Essener Nord-City. 20 Libanesen entstiegen den Fahrzeugen, machten laut Anklage Jagd auf eine andere Familie, weil eine Tochter ihres Clans mit einem Sohn der anderen Gruppe durchgebrannt sein soll.
Jetzt sitzt Autohändler Rabih D. (36), Vater des damals abtrünnigen Mädchens, vor dem Essener Schwurgericht auf der Anklagebank. Versuchten Totschlag wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, weil er dem Vater des damaligen Freundes seiner Tochter eine tiefe Schnittwunde am Hals versetzte. „Um ihn zu töten“, sagt Staatsanwältin Birgit Jürgen. Rabih D., der aktuell wegen mutmaßlicher Drogengeschäfte im größeren Stil in U-Haft sitzt, sagt nichts. Er schweigt zu den Vorwürfen.
Opfer will sich nicht erinnern können
Sein mutmaßliches Opfer redet, sagt aber nichts, was der Staatsanwältin weiterhelfen könnte. Denn er will sich nicht mehr erinnern können, will keinen der Angreifer erkannt haben. Dass er bei der Polizei mal etwas anderes gesagt hat, auch daran fehle ihm die Erinnerung, teilt er mit. Richter Andreas Labentz nimmt es zu Protokoll, spricht vom Verdacht auf eine Falschaussage.
Ein langwieriger Prozess bahnt sich wieder an. Denn an Zeugen ist kein Mangel. So plötzlich, wie die 20 Angreifer aufgetaucht waren, so plötzlich waren aus umliegenden Cafés ähnliche viele Männer der überfallenen Familie zur Hilfe geeilt. Sie schlugen die andere Gruppe in die Flucht. Beim ungeordneten Rückzug beschädigte diese mit ihren Autos noch einige am Straßenrand geparkte Wagen.
Nichts sehen, nichts sagen – viele Juristen am Landgericht erwarten auch von diesem Libanesenprozess nur wenig Erhellendes durch die Zeugenaussagen vor Gericht. Gemutmaßt wird, dass bereits Geld gezahlt wurde, um die Erinnerungslücken der Opferseite zu vergrößern. Das kann vor Gericht auch schief gehen. In der Vergangenheit war es den Strafkammern einige Male gelungen, die Aussagen bei der Polizei als Grundlage des Urteils zu nehmen.