Frohnhausen ist Essens „Jugendstil-Stadtteil schlechthin“
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Essen. Frohnhausen hat nicht unbedingt den Ruf, besonders sehenswert zu sein. Robert Welzel zeigt uns das Gegenteil – in Folge 6 der Stadtteil-Serie „60 Minuten in...“.
Dicht besiedelt, aber unscheinbar - Frohnhausen hat in Essen nicht unbedingt den Ruf, besonders sehenswert zu sein. Robert Welzel ist da anderer Meinung: „Für mich ist Frohnhausen neben Kray der Jugendstil-Stadtteil schlechthin.“ Das hört sich vermessen an, klingt wie typische Schwärmerei eines Heimatverliebten. Aber Welzel sagt es nicht einfach dahin, er hat es akribisch erforscht. Rund 500 historische Hausfassaden aus der Zeit um 1900 seien im Stadtteil von bemerkenswerter Qualität und gut erhalten, was sich bei einem Spaziergang mit Welzel durch die Straßen erschließt. Es gilt das alte Reise-Motto: Man sieht nur, was man weiß.
Los geht’s an der Apostelkirche, wegen ihrer zentralen Kreuzungs-Lage und dem markantem Turm so etwas ist wie der Frohnhauser Dom. Das graue Gotteshaus mag auf Anhieb nicht jedermanns Sache sein, aber Welzel erläutert, dass man hier nicht etwa vor einem wilhelminischen Trutzbau steht, sondern ein frühes Beispiel einer Reformarchitektur vor sich hat, die sich an Vorbildern aus der Renaissance orientiert. Das fast vier Meter hohe, weithin sichtbare Uhrblatt, damals die größte Uhr in Essen, hatte eine Funktion: „Nicht jeder Frohnhauser konnte sich damals eine Taschenuhr leisten.“ Sie funktioniert noch heute, nur das Schlagen der vollen Stunde wurde irgendwann aufgegeben. Zu laut.
Der dritte große Krupp-Stadtteil
Der Gänsereiterbrunnen plätschert wie eh und je
Viele Brunnen fließen nicht mehr in Essen. Zu teuer erscheint der Unterhalt, von fälligen Generalsanierungen ganz zu schweigen. Auch der Gänsereiterbrunnen im Schatten der Apostelkirche, 1913 gemeinsam mit dem Gotteshaus eingeweiht, war Jahrzehnte trocken und stand vor dem Abriss. Dank des Engagements von Robert Welzel, vor allem aber dank vieler kleiner und großer Spender gelang dann doch noch die Rettung. Spezialfirmen restaurierten das marode Jugendstil-Kunstwerk in zweijähriger Arbeit. Seit 2010 plätschert es wieder. Gut so.
Frohnhausen war neben Holsterhausen und Altendorf der dritte große Krupp-Stadtteil in Essen, hat aber den Bombenkrieg und auch die Umbauwut der Nachkriegsjahrzehnte etwas besser überstanden. Den Wohnungsbau-Aktivitäten des Unternehmens hat Frohnhausen viel zu verdanken. Als Paradebeispiel, mittlerweile sogar von Touristen entdeckt, gilt der Luisenhof I am Westpark. Der massige Wohnblock ist nach außen abweisend, nach innen aber selten anheimelnd, besitzt schöne alte Bäume und ist spürbar auf gute Nachbarschaft angelegt.
„Die Stadt wollte in Frohnhausen die Fehler vermeiden, die etwa im Segeroth nördlich der Altstadt zu besichtigen waren“, betont Welzel. Dort war ohne planerische Vorgaben ein ziemlich finsteres Mietskasernenviertel entstanden.
Krupp gab beim Wachstum den Takt vor
Frohnhausen wuchs mit der Krupp’schen Fabrik und ist stark geprägt von großen ehemaligen Krupp-Werkssiedlungen, die das Rückgrat der Häuserstruktur bilden. Zu nennen ist etwa der Luisenhof und die Siedlungen Bärendelle, Breilsort und Pottgießerhof. Charakteristisch sind die ursprünglich für das Erholungsbedürfnis der Kruppianer angelegten Parks, etwa der Riehlpark, der Westpark, der Gervinus- oder der Alfredspark.
Frohnhausen hingegen sollte Parks, Straßenbäume, kleine Plätze und begrünte Innenhöfe bekommen. Häuser und Wohnungen mussten für die Arbeiter bezahlbar sein, sollten aber doch mehr Qualität haben als sonst üblich. Möglich war das damals nur, wenn die Stadt den Grund und Boden besaß, der so der Spekulation entzogen war. Straßenzuschnitt und Freiflächen konnten dann zentral festgelegt, den privaten Bauherrn auch einige architektonische Standards auferlegt werden.
Das ist Essen-Frohnhausen
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Monotonie des Rasterstraßennetzes aufbrechen
Um 1907 konnte die Stadt den uralten Pollerbergshof mit zehn Hektar Feldern und Wiesen kaufen. Robert Schmidt, Leiter des Stadterweiterungsamtes, später Gründer des heutigen Regionalverbands Ruhr, realisierte dann in Frohnhausen sein erstes Reformprojekt, dem kurz darauf das Haumannhofviertel und das Moltkeviertel folgten. „Man sieht das noch heute an den besonders ambitionierten Hausfassaden am Marktplatz oder an den dreieckigen Plätzen, von denen es hier einige gibt“, sagt Welzel. Schmidt wollte so die Monotonie des Rasterstraßennetzes aufbrechen.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
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Wappen erinnert an bäuerliche Vergangenheit
Das Wappen von Frohnhausen erinnert an die bäuerliche Vergangenheit des Essener Westens. Kurios: Heute hat Frohnhausen laut städtischer Statistik noch exakt 80 Quadratmeter (!) offizielles Agrarland. Gemeinsam mit Altendorf und Holsterhausen bildete Frohnhausen das so genannte Dreibauerschaftsquartier, das zum Stift Essen gehörte. Das Wappen zeigt neben dem Bauernhaus gekreuzte Botenstäbe. Sie spielen auf die „Frohnen“ an – Gerichtsboten, die für die termingerechte Zustellung von Gerichtssachen zuständig waren.
Schon vorher gab es Einzelne, die etwas besonderes versuchten. In Fachkreisen bekannt ist das Haus an der Kölner Straße, auf dessen Fassade der Bauherr um 1904 den antiken Gott des Feuers und der Schmiede, Hephaistos, verewigen ließ. „Ein solches Bildprogramm für ein Privathaus ist absolut ungewöhnlich“, urteilt Welzel. Stuckelemente stammten damals in der Regel aus dem Katalog. Für den Geschmack des Heimatforschers agiert der Denkmalschutz in Frohnhausen allzu defensiv. „Nicht einmal der Luisenhof ist geschützt.“
Fazit: Frohnhausen ist hie und da eine verkannte Schönheit, obwohl es natürlich auch moderne Nachlässigkeiten zuhauf gibt. Die alten Häuser der Pollerbergstraße etwa besaßen noch vor zwei Jahrzehnten nette Vorgärten, eigentlich ein Privileg vornehmer Viertel. Heute sind diese Vorgärten - Auto-Parkplätze.
Frohnhausen in Zahlen und im Vergleich
Bei der Größe im Mittelfeld
3,6 Quadratkilometer ist Frohnhausen groß und rangiert damit im dicht besetzten Mittelfeld der Essener Stadtteile. Anders etwa als das fast fünfmal größere Kettwig fehlt einem klassischen Wohnstadtteil wie Frohnhausen das ländliche Umland.
Viele Einwohner
31 744 Menschen lebten Ende 2014 in Frohnhausen, nach Altenessen ist Frohnhausen damit von der Einwohnerzahl her der zweitgrößte Stadtteil.
Hohe Einwohnerdichte
Frohnhausen weist mit 87,5 Personen je Hektar Gesamtfläche nach dem Südostviertel die größte Einwohnerdichte auf.
Mehr Frauen
51,5 Prozent der Frohnhauser sind weiblich.
Einer der jüngeren Stadtteile
Mit einem Durchschnittsalter von 42,8 Jahren gehört Frohnhausen noch zu den jüngeren Stadtteilen, gemessen etwa an Haarzopf (49,29) oder Bredeney (49,19). Gemessen am Nordviertel (37,54) ist Frohnhausen wiederum alt.
Ausländische oder doppelte Staatsangehörigkeit
Frohnhausen hat einen Anteil 22,9 Prozent Menschen mit ausländischer oder doppelter Staatsangehörigkeit - auch das ist leicht über dem Stadtdurchschnitt.
Viel Bebauung, weniger Grün
1,96 Quadratkilometer, also fast drei Fünftel der gesamten Stadtteilfläche, sind bebaut. Das ist sehr viel und deutlich über dem ersten Durchschnitt, wo rund zwei Fünftel der Gesamtfläche als bebaut gelten. Mit 39,63 Hektar ist der Anteil an Parks und Grünflächen dann erwartbar klein, fast 9 Hektar Sportanlagen sind aber recht viel.
Das Kuriosum
Frohnhausen besitzt auch landwirtschaftliche Fläche, sie beträgt genau 80 Quadratmeter - soviel wie zwei Frohnhauser im Schnitt an Wohnraum zur Verfügung haben.
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