Essen-Schönebeck: Warum Schönebecker ihren Stadtteil lieben
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Essen. . Bevorzugte Lage am Hang, umgeben von naturgeschützten Tälern: Schönebeck ist beschaulich. Die industrielle Vergangenheit erschließt sich nicht sofort.
Sehr gute Straßennamen haben sie hier in Schönebeck. „Brausewindhang“. Wer wollte nicht an einer Straße wohnen, die „Brausewindhang“ heißt. Wolfgang Sykorra wohnt hier seit 1974 und sagt, dass der Name den luftigen Verhältnissen tatsächlich alle Ehre macht. Das liegt an der Hanglage, der Blick schweift übers Winkhauser Tal in Richtung Mülheim. „Das hier ist der Teil von Schönebeck“, sagt Sykorra, „den ich immer Postkartenidylle nenne.“
Felder, Wiesen, Bäume, so weit das Auge reicht, Fachwerkhäuser vereinzelt, und auf einem Straßenbeet haben Bürger bunte Blumen gepflanzt. Irgendwo da hinten, auf Mülheimer Stadtgebiet, wohnt der Komödiant Helge Schneider, und Sykorra erzählt von seinem Engagement gegen immer neue Baupläne für das Winkhauser Tal: „Die A 31, eine Mülldeponie als Zwischenlager, Gewerbe, Fabriken – hier sollte schon vieles hin.“ Erst nach der Jahrtausendwende wurde das Tal unter Naturschutz gestellt.
Das ist Essen-Schönebeck
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Zwischen Schönebecker Schlucht, Kamptal und Winkhauser Tal
Typisch Schönebeck
Es gibt einen gewissen Gastro-Tourismus, von dem Schönebeck profitiert. Das liegt an der „Schönebecker Schweiz“, einem Restaurant mitten im Dorfkern. Früher, als Volksschänke, war die Örtlichkeit ein Kristallisationspunkt des gesellschaftlichen Lebens in Schönebeck. Jetzt, mit gehobener, französisch angehauchter Küche, treffen Karl und Roswitha Schirmacher seit dem Jahr 2007 den Nerv vieler Bürger im Revier, die Wert auf eine frische, bodenständige und trotzdem raffinierte Küche legen.
Vor genau 100 Jahren kam der Großraum Borbeck zur Großstadt Essen, wurde eingemeindet, Schönebeck war dabei, und in den Statuten stand schon damals, dass die Talmulden möglichst von Bebauung freizuhalten seien. „Das war sehr weise vorausschauend“, sagt Sykorra, und tatsächlich: Was Schönebeck einzigartig macht, ist seine Lage zwischen Siepentälern, der Schönebecker Schlucht, dem Kamptal, und eben, nach Mülheim hin, dem Winkhauser Tal. Das macht Schönebeck attraktiv. „Makler werben mit ,Schön, Schöner, Schönebeck’“, berichtet Sykorra. Und weil wir hier, vom Süden aus gesehen, jenseits der A 40 sind: Mit den üblichen Klischees, den Norden der Stadt betreffend, kommt man in Schönebeck einfach nicht weit.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
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„Die Leute lieben die Beschaulichkeit, die Ruhe, die Nähe zur Natur.“ Bloß Geschäfte, die gibt es in Schönebeck kaum noch, bis zur Aktienstraße muss man, wenn man einkaufen will. Zu Fuß sind das gut und gerne 20 Minuten. Der Dorfkern von Schönebeck besteht aus einer schlichten Dorfwiese an der katholischen Kirche, ein reich geschmückter Maibaum ist Sinnbild eines ausgeprägten Bürgersinns in diesem Stadtteil, viele sind im Schützenverein.
Wolfgang Sykorra: Lehrer und Buchautor
Wolfgang Sykorra (70) ist in einem Industriegebiet in Bergeborbeck aufgewachsen, nahe der Zinkhütte Germaniastraße. „Wenn der Wind entsprechend stand, war der Gestank so stark, dass man davon Brechreiz bekam. Aber man beschwerte sich nicht.“ So war die Zeit damals, vor dem Erwachen der Umweltbewegung, und Sykorra ist sich sicher, dass diese Jugendjahre sein umweltpolitisches Bewusstsein geprägt haben.
1974 zog er mit seiner Frau nach Schönebeck, hier wuchsen seine Kinder auf, „doch dass es Schönebeck wurde, war Zufall.“ Hier engagierte er sich auch für den Erhalt des Winkhauser Tals, mehrfach sollten hier Gewerbegebiete, Industrie oder die Verlängerung der A 31 („Ostfriesenspieß“) hingebaut werden.
Sykorra machte sich im Großraum Borbeck einen Namen als langjähriger Leiter des Gymnasiums Borbeck, er stand der Schule bis 2006 vor, und war von 1980 bis 1998 Ortsverbandsvorsitzender der Schönebecker SPD. Im Jahr 2009 erschien das historische Buch „Man war nie fremd – Die Essener Bergbaukolonie Schönebeck und ihr Stadtteil“, an dem Sykorra wesentliche Teile mitverfasst hatte. Immer wieder arbeitet Sykorra an Buchprojekten, veröffentlichte 2013 „Von der Penne in die Welt“, eine Porträtsammlung ehemaliger Schüler des Gymnasiums Borbeck. Von 1955 bis 1964 hatte er die Schule übrigens selbst besucht.
Sykorra, vor allem an Geschichte interessiert, kennt aber die Wurzeln von Schönebeck und vertritt die griffige These: „Ohne Schönebeck gäbe es Zollverein nicht.“
Schmucke Arbeiterkolonien Ardelhütte und Schacht-Kronprinz-Straße
Das liegt am Industriellen Franz Haniel. Weil der bekanntlich als Erster Steindecken im Boden („Mergel“) durchgestoßen bekam, wurde Bergbau auch in tieferen Erdschichten möglich – der Bergbau im Revier, so, wie wir ihn bis heute kennen. Und Haniels Pioniertat ereignete sich rund 400 Meter Luftlinie entfernt von Schönebeck, eine Gedenktafel an der Schönebecker Straße erinnert daran, die Tafel steht direkt vor dem ehemaligen Kloster „Barmherzige Schwestern“, heute ein Altenheim.
Überhaupt, der Bergbau: Sykorra führt durch die ehemalige Arbeiterkolonie Ardelhütte und Schacht-Kronprinz-Straße, schmucke Altbauten mit großzügigen Gärten stehen hier aufgereiht, „diese Häuser werden gerade wiederentdeckt“, berichtet Sykorra.
Heißt: Aus eigentlich schlichten Häusern einfacher Leute werden jetzt gefragte Immobilien. Die Preise steigen. Schön, schöner, Schönebeck.
Schönebeck in Zahlen und im Stadtteil-Vergleich
463,5 Fußballfelder groß
3,34 Quadratkilometer ist Schönebeck groß, genau: 334,15 Hektar. Ein Hektar entspricht einer Fläche von 100 mal 100 Metern. Ins Schönebecker Gebiet passen also etwa 463,5 Fußballfelder mit UEFA-Mustermaß (106 mal 68 Meter). Im Stadtteilvergleich macht das Platz 27. Der größte Stadtteil ist Kettwig (1535,75 Hektar).
Schönnebeck ist trocken
0,12 Hektar Wasserflächen hat Schönebeck (gerundet: 0,0 Prozent). So „trocken“ sind außerhalb der Innenstadt nur Schonnebeck, Stoppenberg und Freisenbruch.
Platz 25 bei den Einwohnern
9929 Menschen waren in Schönebeck Ende 2014 laut amtlicher Statistik gemeldet. Im Vergleich der 50 Stadtteile ist das Platz 25. 2006 gab es übrigens noch mehr Schönebecker: 10343.
29,714 Einwohner pro Hektar Hektar
27. Rang: Bei der Bevölkerungsdichte liegt Schönebeck im Mittelfeld: Hier leben im Schnitt 29,714 Einwohner auf einem Hektar Fläche.
Vergleichsweise alt
47,9 Jahre sind die Schönnebecker im Schnitt alt. In keinem anderen Stadtteil nördlich der Innenstadt ist das Durchschnittsalter höher.
Wohnraum: Höchstwert im Norden
42,7 Quadratmeter Wohnfläche hat jeder Bewohner hier rein statistisch, mehr Wohnraum als in jedem anderen Stadtteil im Essener Norden.
Überdurchschnittlich viele Deutsche
91,4 Prozent der Schönebecker haben ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft – noch ein Höchstwert im Norden. Insgesamt haben 78,6 Prozent der Essener nur einen deutschen Pass.
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