Essen. . Die IHK versucht, noch Last-Minute-Lehrstellen einzusammeln und lässt ihre Akquisiteure ausschwärmen. Doch diese holen sich häufig eine Abfuhr.

Hans-B. Kleckel kommt immer unangemeldet. „Wenn Sie einen Termin telefonisch vereinbaren wollen, dann werden Sie meist abgewimmelt.“ Der 68-Jährige ist seit sechs Jahren Ausbildungs-Akquisiteur bei der Industrie- und Handelskammer und hat die Methode raus, wie er sich bei den Unternehmen für sein Anliegen Gehör verschafft. Rausgeworfen worden sei er jedenfalls noch nie.

An diesem Morgen schellt er bei einer kleinen Metallbau-Firma im Essener Süden an, ein Familienbetrieb mit zehn Mitarbeitern. Er darf eintreten, und im Büro des Chefs wird ihm sogar eine Tasse Kaffee angeboten. Doch schnell wird klar: Mehr als ein freundliches Gespräch ist hier nicht drin. Hans-B. Kleckel wird ohne Ausbildungsplatzzusage wieder gehen müssen. Der Betrieb, der seinen Namen nicht in der Zeitung veröffentlicht sehen möchte, hat zuletzt schlechte Erfahrungen mit der Ausbildung gemacht. Der Azubi warf vor wenigen Monaten, kurz vor Ende der Lehre das Handtuch. Drei Jahre Anstrengung umsonst. Der Chef seufzt: „Davon müssen wir uns erst einmal erholen.“

Viele Klagen über Azubis

Kleckel hört sich die Geschichte mit viel Geduld und viel Verständnis an. Es fallen Worte, die er bei vielen seiner Besuche immer wieder hört. Den Lehrlingen fehle es an Pünktlichkeit, an Disziplin, Durchhaltevermögen, ganz abgesehen von den schulischen Leistungen, die „katastrophal“ gewesen seien. „Wir können als kleines Unternehmen aber nicht das ausbügeln, was in der Schule, vor allem aber im Elternhaus die ganzen Jahre versäumt wurde“, zuckt der Chef mit den Schultern. Eine zusätzliche helfende Hand hätte die Firma gut gebraucht. Doch nun bleibt die Stelle unbesetzt.

Kleckel kennt die Nöte der kleinen Mittelständler. Gerade bei ihnen sei Teamgeist und Anpacken gefragt – kein „Neun-bis-Fünf“-Job eben. „Viele Unternehmen wollen deshalb am liebsten Eigengewächse haben, die die Firmenphilosophie mitleben. Doch es gibt nicht so viele junge Menschen, die die Bedingungen erfüllen“, hat er mittlerweile erfahren müssen.

Zehn bis 20 Firmen pro Woche besucht Hans-B. Kleckel. Es sind Unternehmen mit höchstens 50 Mitarbeitern. Die Liste mit den Adressen bekommt er von der IHK. Normalerweise läuft seine Mission von März bis Juni. Dieses Jahr hat die IHK sie verlängert, weil es danach aussah, dass die Ausbildungszahlen dramatisch in den Keller rauschen würden. Noch im Mai lag die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge bei der IHK fast zehn Prozent unter dem Vorjahr, das auch schon nicht gut gelaufen war.

Für Kleckel ist es jedoch besonders schwierig, Last-Minute-Lehrstellen einzusammeln. Es gibt schließlich auch nicht mehr so viele Bewerber. Das wissen die Firmen. Immerhin zwei Erfolge meldet der Akquisiteur. Und Erfolg heißt für ihn bereits, dass es sich die Unternehmen noch einmal überlegen wollen. Der 68-Jährige sieht es jedoch sportlich. „Es gibt Tage, die sind sicherlich frustrierend. Am nächsten läuft es dagegen schon wieder besser“, sagt er.

Erfolge gibt es dennoch

Bis zur Rente arbeitete Hans-B. Kleckel als Geschäftsbereichsleiter beim Bergbauspezialisten DMT und sitzt seit 25 Jahren im Prüfungsausschuss bei der IHK. Als er vor sechs Jahren gefragt wurde, ob er als Ausbildungsakquisiteur ehrenamtlich arbeiten wolle, „da habe ich erst meine Frau gefragt“. Bereut hat er es nicht: „Meine Arbeit lohnt sich schon deshalb, weil die Firmen das Gefühl bekommen, sie werden nicht vergessen.“