Essen. Die Situation am Ausbildungsmarkt verschärft sich: Die Betriebe tun sich schwerer, passende Azubis zu finden.
Für Schulabgänger ist das eine gute Nachricht: Wer in Essen in diesem Jahr noch eine Lehrstelle sucht, der hat bei der Arbeitsagentur eine größere Auswahl an freien Ausbildungsplätzen als im vergangenen Jahr. Noch dazu, weil es in diesem Jahr auch deutlich weniger Bewerber und somit weniger Konkurrenz um die freien Plätze gibt.
In Zahlen ausgedrückt heißt das: Derzeit sind bei der Arbeitsagentur rund 1550 freie Lehrstellen gemeldet und somit fast 70 mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig sind der Agentur rund 1400 Jugendliche bekannt, die noch einen Ausbildungsplatz suchen. Rechnerisch müsste es also hinkommen, dass am Ende jeder Jugendliche eine Stelle findet.
Doch die Rechnung wird auch in diesem Jahr wieder nicht aufgehen. denn häufig passen Wunschberuf und Angebot nicht zusammen. Viele Jugendliche, die noch suchen, wollen Mechatroniker, Textilverkäuferin oder Bürokaufleute werden. Doch in diesen Berufen gibt es zu wenige Angebote, um alle Wünsche erfüllen zu können. Stattdessen suchen aktuell vor allem Gastronomiebetriebe, Logistikunternehmen oder Lebensmittelhersteller noch passende Azubis.
IHK rechnet 2015 mit weniger Ausbildungsverträgen
Das Problem ist nicht neu. Und dennoch scheint sich der Ausbildungsmarkt in Essen gerade zu drehen. „Nicht mehr die Betriebe suchen sich ihre Azubis aus, sondern die jungen Leute den passenden Ausbildungsbetrieb“, sagt die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK ), Jutta Kruft-Lohrengel. Die IHK sieht die Entwicklung mit Sorge: Sie zählt derzeit knapp 1200 Ausbildungsverträge, die bis Ende Mai in ihren Mitgliedsbetrieben abgeschlossen wurden. Das sind fast zehn Prozent weniger als zum Stichtag im vergangenen Jahr. Zwar wird es bis zum Sommer noch Bewegung geben, doch bei der IHK ist man schon jetzt sicher, dass man am Ende weniger Ausbildungsverträge zählen wird als 2014. Schon im vergangenen Jahr stand in der Ausbildungsbilanz ein Minus.
Werben um weitere Lehrstellen und Last-Minute-Ausbildungsbörse für Jugendliche
In diesen Berufen bzw. Branchen gibt es bei der IHK momentan einen besonders hohen Rückgang der Ausbildungsverträge: Hotel- und Gaststättengewerbe, Metall- und Elektrobranche, Groß- und Einzelhandel. Kauffrau/-mann für Büromanagement.
Um noch mehr Lehrstellen einzuwerben, wird die IHK in den kommenden Wochen ihre drei ehrenamtlichen Ausbildungsplatz-Akquisiteure in die Betriebe schicken. Gleichzeitig sollen die Unternehmen nochmal angeschrieben werden.
Die Arbeitsagentur, Berliner Platz 10, wird am Mittwoch, 24. Juni, ab 14 Uhr eine Last-Minute-Ausbildungsbörse anbieten. Interessierte Jugendliche können sich dort über alle freien Lehrstellen informieren. Auch Unternehmen werden vor Ort sein.
An der Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen scheint es jedoch weniger zu liegen. Der Arbeitsagentur wurden dieses Jahr sogar etwas mehr Lehrstellen gemeldet. Stattdessen zögern offenbar die Firmen mit der Einstellung, weil sie nicht die passenden Bewerber finden, glaubt die IHK. Insbesondere kleine Unternehmen täten sich schwer.
Die Situation verschärft sich: Bei der Arbeitsagentur meldeten sich dieses Jahr 240 Jugendliche weniger, die sich für eine Ausbildungsstelle interessieren, als voriges Jahr. Die duale Ausbildung gerät auch in Essen immer stärker unter Druck durch die wachsende Konkurrenz durch Hochschulen, Fachhochschulen oder Berufskollegs, so die IHK. Das allein aber erklärt den starken Rückgang an abgeschlossenen Verträgen nicht. Auch der Umbruch in den Konzernen geht am Ausbildungsmarkt nicht ganz spurlos vorüber, betont Kruft-Lohrengel. Vor allem die Entwicklungen in der Energiewirtschaft wirkten sich negativ auf die Ausbildungssituation in Essen aus.