Essen. Die Not des Landes verschafft der Stadt Erleichterung: Der Ausbau der Einrichtung an der Altendorfer Straße wird auf die Quote angerechnet.
Der anhaltende Flüchtlingsstrom bringt Stadt und Land gleichermaßen an den Rand ihrer Möglichkeiten: Der letzte zurzeit verfügbare Platz in Essens Einrichtungen ist seit Dienstag belegt, und der Bezirksregierung fehlen absehbar bereits am kommenden Freitag Kapazitäten für über 1000 neue Asylbewerber. „Wir sind an der Grenze angelangt“, machte Sozialdezernent Peter Renzel in der gestrigen Sitzung des Stadtrates deutlich. Dennoch werde es nicht zu einer kurzfristigen Belegung von Turnhallen kommen.
So absurd es auch klingen mag: Die akute Not Nordrhein-Westfalens verschafft der Kommune Erleichterung. Das Land will die Kapazitäten in „seiner“ Notunterkunft im Optipark nahe der Innenstadt auf insgesamt rund 800 Plätze aufstocken. Das sind rund 320 mehr als bislang. Dieses Plus wird vermutlich bereits ab dem Wochenende auf die Essener Aufnahmequote angerechnet. Was bedeutet, dass die Stadt für ein paar Wochen erst einmal keine Flüchtlinge mehr zugewiesen bekommt und so rund 400.000 Euro monatlich spart.
Turnhallen müssen nicht belegt werden
Der Mietvertrag, den das Land zu diesem Zweck mit dem Eigentümer der Immobilie an der Altendorfer Straße zurzeit aushandelt, soll bis zum Ende des Jahres gelten. Eine längerfristige Nutzung als „Zentrale Unterbringungseinrichtung“ (ZUE) des Landes sei ebenfalls Gegenstand der Gespräche, machte Renzel gestern deutlich: „So können wir eine kurzfristige Unterbringung in Turnhallen zurzeit verhindern.“ Damit dies auch für den Rest des Jahres gilt, muss die Stadt allerdings möglichst schnell 762 zusätzliche Plätze schaffen.
730 davon sollen in acht Immobilien entstehen, die in den vergangenen Tagen intensiv unter die Lupe genommen wurden. So werden Dringlichkeitsentscheidungen, die noch während der Sommerferien fallen sollen, vorbereitet für eine Belegung des Schulgebäudes Schetters Busch in Schonnebeck und Am Funkturm 8 in Holsterhausen. An beiden Standorten zusammen können 250 Menschen untergebracht werden, spätestens ab 1. Oktober, vielleicht schon früher. In Holsterhausen ist zudem eine Kleiderkammer geplant. Als Dauerstandort geeignet ist ein Bürogebäude an der Natorpstraße im Ostviertel mit 200 bis 300 Plätzen. Die Stadt prüft, die Immobilie zu kaufen.
Schule an der Helmstraße zu marode
Dazu kommen 60 Plätze im Kolping-Berufsbildungswerk in Kray, die schon in den nächsten Tagen zu nutzen wären. Vergleichbare Kapazitäten bietet das Handballleistungszentrum an der Raumerstraße in Frohnhausen, das ebenfalls kurzfristig zur Verfügung steht. Im Berufsförderungswerk der Bauindustrie an der Lüschershofstraße in Bergeborbeck könnten weitere 60 Plätze ab 1. September geschaffen werden. Nur die ehemalige Schule an der Helmstraße wird von der Standortliste gestrichen: Das Gebäude ist zu marode, eine Sanierung wäre unwirtschaftlich, sagte Renzel, der gestern weitere Anstrengungen ankündigte. Nach der Sommerpause werde er eine weitere Liste für neue Standorte absehbar benötigter Übergangsheime vorlegen.
Trotz der kurzfristigen Entwarnung durch die Anrechnung weiterer Landesplätze auf die kommunale Aufnahmequote bereitet sich die Stadt weiter vorsorglich auf den „äußersten Notfall“ einer Unterbringung von Menschen in Turnhallen vor, um drohende Obdachlosigkeit zu verhindern. Zwei Wochen würde es im Einzelfall dauern, um die Gebäude baulich herzurichten. Aus Sicherheitsgründen kommen jedoch nur die zwölf großen Multifunktionshallen in der Stadt in Frage, machte Renzel deutlich: die Sporthallen an der Katzenbruchstraße, Klapperstraße, Pinxtenweg, Rosastraße, Ruschenstraße, Schonnebeckhöfe, Raumerstraße, Lührmannwald, Im Löwental, Prinz-Friedrich-Straße, Friedrich-Lange-Straße und Am Hallo.