Essen. . Schwangere in Notlagen können seit einem Jahr ihre Kinder im Krankenhaus zur Welt bringen, ohne ihren Namen preiszugeben. In Essen gab es drei Fälle.

Drei Frauen haben im vergangenen Jahr in Essen das neue Angebot einer vertraulichen Geburt angenommen: Ihre Kinder wurden im Krankenhaus geboren und nach der Geburt zur Adoption freigegeben, die Identität der Mütter blieb dort geheim. Den drei Fällen stehen in Essen Dutzende Beteiligte gegenüber, die die Praxis mit den gesetzlichen Vorgaben in Einklang bringen.

Jede einzelne Schwangere, die ihr Kind nicht allein zu Hause oder womöglich auf einer Bahnhofstoilette zur Welt bringe, sondern unter medizinischer Betreuung, rechtfertige den Aufwand. Darin sind sich die Teilnehmerinnen des „Runden Tisches Vertrauliche Geburt“ einig. Hier sitzen Vertreterinnen von Kliniken, Adoptionsvermittlungen, Schwangerenberatungen, Jugend- und Standesamt zusammen.

„Ob die vertrauliche Geburt aber verhindert, dass Babys ausgesetzt werden, wissen wir nicht“, sagt Andrea Vossbrink von der katholischen Beratungsstelle Donum Vitae. Zu wenig sei erforscht, welche Motive diese Frauen haben. Auch Mütter, die im Affekt ihr Neugeborenes umbringen, hätte man mit der vertraulichen Geburt wohl nicht erreicht.

Erreicht hat man dagegen Frauen, die nicht einmal dem Ehemann erzählt hatten, dass sie schwanger sind. Die einfach einen Weg suchten, ihr Geheimnis zu bewahren. Und manchmal besannen sie sich im Krankenhaus anders, wollten ihr Kind trotz der schwierigen Umstände lieber behalten. Eine Hebamme aus dem Elisabeth-Krankenhaus findet das wenig überraschend: „Eine Geburt ist ein hochemotionales Erlebnis: Manche Frau, die vor der Geburt sicher war, dass sie das Kind abgeben will, bereut danach ihren Entschluss.“ Sie halte es daher für fatal, dass die vertrauliche Geburt automatisch die Adoption vorsehe. „Die Frauen sind oft sehr jung, wenig gebildet und suchen nur eine unbürokratische Hilfe in einer Notlage.“

Im besten Fall finden sie genau diese Hilfe, wenn sie sich an eine Schwangerenberatungsstelle wenden, wie es das Gesetz zur vertraulichen Geburt vorsieht. Hier sollten die Frauen, die später in der Klinik einen Decknamen verwenden dürfen, ihren richtigen Namen und persönliche Daten nennen. Diese werden beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben aufbewahrt: Hier kann das adoptierte Kind im Alter von 16 Jahren nach der leiblichen Mutter fragen. Dies ist der Kernunterschied zur anonymen Geburt, bei der die Mutter für immer aus dem Sichtfeld des Kindes verschwand und es mit dem Rätsel seiner Herkunft allein blieb.

Kritiker glauben, dass just der vorgeschriebene Gang zur Schwangerenberatung jene Frauen abhalte, die sich völlige Anonymität wünschen – und die, die ohne Plan und in Panik handeln. „Diese Frauen kommen nicht zu uns – so gesehen ist das Gesetz eine Mogelpackung“, sagt Stefanie Boos (Awo).

Ihre Kollegin Nicola Völckel berichtet indes von Frauen, die schon mehrere Kinder haben, überfordert sind und vom Jugendamt betreut werden. Statt sich den Betreuern anzuvertrauen, verheimlichen sie die erneute Schwangerschaft, schwänzen Arzttermine, kaufen weder Babybett noch Strampler. „Am Ende der Geheimhaltungsspirale wenden sie sich mit dem Wunsch nach der vertraulichen Geburt an uns.“ Ob das die richtige Lösung ist, loten Beraterin und Schwangere gemeinsam aus: Und so kommen zu den drei Frauen, die die vertrauliche Geburt wählten, weitere, die in ihrer Notlage ein offenes Ohr und Hilfe fanden.