Essen. . Eingeklemmt zwischen Hauptverkehrsstraßen und Industrie, bietet Vogelheim wenig Anlässe für einen Besuch im Norden der Stadt. Doch es gibt viel Gutes.
Hoch im Norden liegt Vogelheim, eingeklemmt zwischen Hauptverkehrsstraßen, Hafen und Fabriken.
Man kann es aber auch so sehen: „Vogelheim ist eine Insel im Meer der Industrie.“ Das sagt Peter Wallutis (57), der vor mehr als 30 Jahren in ein altes Steigerhaus an der Hafenstraße zog, dort eine Familie gründete und sagt: „Ich fühl’ mich wohl in Vogelheim.“
Das ist Essen-Vogelheim
Vogelheim als Ausstellung für Wohnen im Wandel
Liebe Leser, Hand aufs Herz – wer war schon mal in Vogelheim? Niemand? Ohne dem Stadtteil zu nahe treten zu wollen: Es liegt auch nicht gerade auf der Hand, was Vogelheim ausmacht. Keine berühmten Bauwerke. Keine Ausflugsziele, die stadtweite Bedeutung hätten. Keine spektakuläre Natur.
Nach einem einstündigen Gang mit Peter Wallutis durch Vogelheim hat man sie immer noch nicht gesehen, die berühmten Bauwerke oder die spektakuläre Natur, und doch reiht sich eine Überraschung an die nächste. Die meisten Vorurteile schwinden. Wichtigste Erkenntnis nach 60 Minuten: Vogelheim könnte eine einzige Ausstellung sein für Wohnen im Wandel.
Computainer - seit zwölf Jahren ein Treffpunkt
Das Ding heißt „Computainer“, und der Begriff ist womöglich ein bisschen sperrig. 2003 gegründet, finden in einem Container-Ensemble mitten im Stadtteil, einst als Provisorium gedacht, weit mehr als bloß Computerkurse statt.
Der „Computainer“ ist Begegnungs-, Bildungs- und Beratungsstätte zugleich. Hier kommen Väter und Mütter zusammen, die Fragen zur Erziehung ihrer Kinder haben. Hier treffen sich Krabbelgruppen, hier hören Berater des städtischen Jugendamtes Bürgern zu, die familiäre Probleme schildern. Ach ja: Und Computerkurse, sowohl für Kinder, Jugendliche, als auch für Senioren, gibt es natürlich auch. Peter Wallutis von der Stadtteilkonferenz nennt den „Computainer“ die „Keimzelle des Widerstands“. Damit meint er: Mit Gründung dieser Bildungseinrichtung ging es bergauf in Vogelheim – als Widerstand gegen Ghettoisierung, gegen Verwahrlosung, gegen Armut und Bildungsarmut.
Hier gibt es sie noch, die schmutzgrauen Mehrfamilienhäuser, unsaniert, ohne Balkon, doch sie schwinden nach und nach. „Der Sound von Vogelheim“, sagt Wallutis, „ist derzeit Hämmern, Bohren, Klopfen.“ Die Wohnungsgesellschaften Vivawest, Allbau oder THS brächten nach und nach ihre Objekte in einen zeitgemäßen Zustand, nicht selten werden Blocks an private Eigentümer verkauft, die dann selbst mit einziehen und vorher aufwändig sanieren.
Doppelhaushälften bringen Solidität nach Vogelheim
Am Höltingsweg entstanden vor Jahren schmucke, helle Doppelhaushälften, die einerseits zwar so aussehen wie überall, sie könnten auch in Überruhr oder Borbeck-Mitte stehen, andererseits: Sie bringen ein ordentliches Maß an Solidität in den Stadtteil. „Viele, die hier früher wohnten, sind wiedergekommen und haben sich ein solches Haus gekauft. Darauf sind wir stolz“, sagt Wallutis. Ohnehin, die Menschen seien das Wichtigste im Stadtteil, „und die Durchmischung ist wichtig, damit kein Ghetto entsteht.“
Wallutis weist den Weg entlang an Eigenheimen mit moderner Holzfassade, die man überall vermutet hätte, nur nicht gerade hier, an Klinkerbauten mit stattlichen Autos vor der Tür – ja, es gibt sie hier, die bürgerlichen Ecken. „Was die Vogelheimer an ihrem Stadtteil schätzen“, erklärt Wallutis, „ist die intakte Nachbarschaft. Niemand muss hier allein bleiben.“ Er spricht vom Dorfcharakter, der das Leben erleichtere, auch wenn es an Geschäften fehlt – gerade mal ein Pennymarkt ist da, eine Änderungsschneiderei, ein Kiosk, ein türkischer Supermarkt.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
Würde, Friede, Hoffnung: Was das Wappen sagt
Die Bürger interpretieren das Wappen, das auch die Erbgutsbesitzer von Vogelheim verwendeten, auf ihre Weise: Das Grün der Balken steht demnach für die Hoffnung auf bessere Achtung der Menschenwürde, das Weiß des Schildes für die friedliche Akzeptanz und die Vögel für die Freiheit der Gemeinnützigkeit und des Bürgerwillens.
Letzteren demonstrierten die Vogelheimer am 25. Juni 1978 eindrucksvoll, als die alte Bauernsiedlung zum 50. Essener Stadtteil ausgerufen wurde und sich auf Initiative von Bürgern von Bergeborbeck löste. Vogelheim ist somit Essens jüngster Stadtteil.
Zwischen den Häusern, sagt Wallutis, sei viel Grün und viel Platz, das sei typisch für Vogelheim, doch der Verkehr, der den Stadtteil umtost, sei ein dauerhaftes Problem. „Als ich vor 30 Jahren an die Hafenstraße zog, konnten Sie abends ab sechs mit dem Fahrrad Kreise fahren. Nach der Öffnung der Grenzen zum Osten hin hat sich das verändert.“ Und so engagiert sich Wallutis seit Jahren für die „Stadtteilkonferenz“, alle zwei Monate kommen Vertreter der Vereine, Behörden, Kirchen zusammen, um über aktuelle Themen zu sprechen. „Vernetzung“, sagt Wallutis, „löst viele Probleme.“ In Vogelheim hat man das erkannt, früher als anderswo.
Vogelheim in Zahlen und im Stadtteil-Vergleich
Alle bisher veröffentlichten Folgen finden Sie auf unserem Spezial zur Serie / Folge 28: Südostviertel / Folge 27: Margarethenhöhe / Folge 26: Heidhausen / Folge 25: Haarzopf / Folge 24: Altendorf / Folge 23: Stoppenberg / Folge 22: Werden / Folge 21: Holsterhausen / Folge 20: Dellwig / Folge 19: Rellinghausen / Folge 18: Horst / Folge 17: Südviertel / Folge 16: Rüttenscheid / Folge 15: Byfang / Folge 14: Schuir / Folge 13: Karnap / Folge 12: Bredeney / Folge 11: Fischlaken / Folge 10: Kray / Folge 9: Leithe / 8: Nordviertel / 7: Kettwig / 6: Frohnhausen / 5: Altenessen / 4: Kupferdreh / 3: Vogelheim / 2: Schönebeck / 1: Heisingen / zur Galerie mit allen Essener Stadtteil-Wappen