Düsseldorf. Das Jobcenter Düsseldorf muss einem Hartz-IV-Bezieher die Reise nach Indonesien bezahlen, wo der zehnjährige Sohn lebt. Das hat das Landessozialgericht NRW entschieden. Es sei eine wichtige Stütze für die Entwicklung des Kindes, dass der Vater sein Umgangsrecht mit dem Sohn ausübe, lautet die Begründung.
„Ich kann es kaum erwarten“, sagt Jürgen Weber. Am 15. April geht die Maschine nach Indonesien. Im 16 Flugstunden entfernten Surabaya wird der 62-Jährige seinen getrennt lebenden Sohn Sascha (10) besuchen. Das Düsseldorfer Jobcenter zahlt dem Hartz-IV-Empfänger die Reise. Jürgen Weber und sein Anwalt haben dafür sehr gekämpft.
Das Jobcenter hatte „keinen unabweisbaren Bedarf“ für die rund 2100 Euro teure Reise gesehen, sprich: sie für nicht unbedingt nötig gehalten. Vor dem in Essen ansässigen Landessozialgericht bekam Weber nun jedoch auch in zweiter Instanz vorläufig Recht. Die Richter hatten dabei das Kindeswohl im Blick: Der 7. Senat ging davon aus, „dass die Ausübung des Umgangsrechtes des Vaters mit Sohn eine wichtige Stütze für die Entwicklung des Kindes ist“, zumal dieses in einer fremden Kultur lebe. Einmal im Jahr müsse das Jobcenter das Geld für den Besuch beim Kind im fernen Ausland bereitstellen, meinen die Richter; eine dreiwöchige Reisedauer sei angemessen (Az.: L 7 AS 2392/13 B ER).
Zustimmung kommt von Erwerbsloseninitiativen. „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates“, sagt Karl Sasserath vom Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach. Das Ausüben des Umgangsrechtes dürfe nicht an wirtschaftlichen Verhältnissen des Vaters scheitern. Während Sasserath glaubt, dass der Beschluss weiteren Betroffenen in besonderen Fällen helfen kann, betonte Werner Marquis von der Arbeitsagentur NRW: „Das ist ein Einzelfall.“
Jobcenter prüfen individuell
Klar ist: Hartz-IV-Empfänger haben Anrecht auf zusätzliches Geld, um die Beziehung zu ihren getrennt lebenden Kindern aufrechthalten zu können, das ist per Gesetz geregelt. Laut Werner Marquis prüfen Jobcenter individuell, ob Reisen nötig und mit welchen Kosten möglich sind – und ob nicht auch die Kinder zum Elternteil reisen könnten. „Jeder Fall ist anders“, meinte der Agentursprecher. Nicht zuletzt gehe es auch darum, Missbrauch zu vermeiden. Fälle wie der von Jürgen Weber sind selten, sagt Marquis, aber es gebe sie durchaus: In der Vergangenheit hätten es Jobcenter auch mit Vätern zu tun gehabt, die Kinder in Australien oder den USA besuchen wollten.
Bei Jürgen Weber steht die Hauptverhandlung in der Sache noch aus, Überraschungen werden aber nicht erwartet. Nach dem Eilbeschluss des Landessozialgerichtes wurde das Reisegeld überwiesen. Zu seinem Sohn hat der 62-Jährige von Düsseldorf aus schriftlichen und telefonischen Kontakt. Im Februar 2013 hatte Weber Sascha schon besucht, bereits damals hatte das Jobcenter verpflichtet werden müssen, die Kosten zu übernehmen. In Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens, wird der Düsseldorfer in einem Hotel wohnen. Seine Ex-Frau ist Indonesierin. Bei der Trennung im April 2010 hatte sie den Sohn ohne Webers Zustimmung mit in ihr Heimatland genommen, Weber spricht von einer Entführung. Eigentlich hatte er jetzt schon früher reisen wollen: Am 18. Februar hatte Sascha seinen 10. Geburtstag.