Essen. . Im Zusammenhang mit dem Bau des Stadions Essen sind 3,3 Millionen Euro an Berater geflossen. Insgesamt 64,4 Millionen Euro hat das “Projekt Fußball“ gekostet. Fest steht: Der damalige Chef der zuständigen Stadttochter handelte nicht ohne Rückendeckung.
Guter Rat ist teuer, sagt der Volksmund. Aber welcher Teufel hat Andreas Hillebrand geritten als Geschäftsführer der städtischen „Grundstücksverwaltung Essen“ (GVE) der Unternehmensberatung Roland Berger im Zusammenhang mit dem Stadionprojekt an der Hafenstraße die sagenhafte Summe von 3,3 Millionen Euro zu zahlen? Diese Frage treibt die Öffentlichkeit um, seit bekannt wurde, dass die Kosten für das so genannte „Projekt Fußball“ mit 64,4 Millionen Euro ins Kraut geschossen sind. Fest steht: Andreas Hillebrand handelte nicht ohne Rückendeckung.
Der inzwischen geschasste GVE-Chef ließ es sich vom Beteiligungsmanagement der Stadt schwarz auf weiß geben. Gemeint ist ein Beschluss des Gesellschafters, der Stadt Essen, vom 17. Juni 2008, der da lautet: „Die Geschäftsführung wird ermächtigt (...) für die Erarbeitung der planerischen und wirtschaftlichen Grundlagen für einen Stadionneubau bis zu fünf Prozent des Projektvolumens zu verausgaben.“
Akten-Vermerk des ehemaligen Stadtdirektors
Damals bezifferten interne Schätzungen die Kosten für ein neues Stadion auf bis zu 40 Millionen Euro. Die Vermutung liegt nahe, dass Hillebrand diesen „Freifahrtschein“ dazu nutzte, die Berater von Roland Berger für das Projekt einzukaufen. Pikant: Weder der Rat der Stadt hat sich je mit besagtem Gesellschafterbeschluss befasst, noch hatte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) die Verwaltung angewiesen, so zu verfahren wie geschehen. Das ist bemerkenswert, hatte die Stadt Hillebrand doch mit dem Beschluss auch zugesagt, die GVE mit den notwendigen finanziellen Mitteln auszustatten. Im Klartext: Für Beraterkosten käme also die Stadt auf.
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In den Akten aber findet sich allein ein Vermerk, wonach ein solcher Gesellschafterbeschluss zu fassen sei. Angelegt hat den Aktenvermerk Stadtdirektor Christian Hülsmann (CDU), der damals als kommissarischer Stadtkämmerer und damit als Leiter des Beteiligungsmanagements den schwer erkrankten Marius Nieland vertrat. Hülsmann galt in seiner Amtszeit als treibende Kraft des Stadionbaus. Bekanntlich ist er heute Aufsichtsratsvorsitzender von Rot-Weiss Essen.
Informelle Treffen hinter verschlossenen Türen
Dass der Vorgang erst jetzt ans Licht kommt, ist einem Fragenkatalog des parteilosen Ratsherrn Jochen Backes an die Verwaltung geschuldet. Für Backes steht fest: „Stadtdirektor Hülsmann hat den Grundstein für das finanzielle Desaster bei der GVE gelegt.“
Stadion und Autokino aus der Luft
Der so Gescholtene will das nicht auf sich sitzen lassen. Der Gesellschafterbeschluss von 2008 basiere auf einer „Elefantenrunde“ vom März desselben Jahres. Auf einem jener informellen Treffen hinter verschlossenen Türen also, zu denen der Oberbürgermeister die Spitzen der Fraktionen bittet, um über wichtige Entscheidungen zu beraten. Die Runde sei sich einig gewesen, dass Rot-Weiss Essen den Neubau eines Stadions nicht würde stemmen können, sagt Hülsmann. Die GVE sollte es also richten. „Niemand soll behaupten, er habe nichts gewusst“, ereifert sich Hülsmann und fügt hinzu. „In der Elefantenrunde saß auch Herr Paß als Vorsitzender der SPD-Fraktion“. Der Hinweis kommt nicht von ungefähr: Oberbürgermeister Paß hatte jüngst CDU-Fraktionschef Kufen empfohlen, sich bei Hülsmann über die hohen Beraterhonorare zu informieren, als Kufen öffentlich danach fragte. Über die Beraterkosten von 3,3 Millionen Euro zeigt sich auch Hülsmann erschrocken.
Teilnehmer der Elefantenrunde konnten sich am Donnerstag auf Nachfrage übrigens spontan an Details nicht erinnern. Wie detailliert die Politik in folgenden Runden von der GVE informiert wurde, bleibt offen. Über Beraterkosten sei nicht gesprochen worden, sagt FDP-Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß, der nach eigener Erinnerung „an ein oder zwei“ solcher Sitzungen teilgenommen hat. Auch Schöneweiß ist heute Mitglied des Aufsichtsrates von Rot-Weiss Essen.
Rolle des Oberbürgermeisters beim "Projekt Fußball"
Paß’ Rolle beim „Projekt Fußball“ darf man ambivalent nennen. Als Fraktionsvorsitzender hatte er 2007 gefordert, die städtischen Mittel für den Stadionbau deutlich aufzustocken. Kaum gewählt, ließ er sich an der Hafenstraße ablichten. In der Vereinszeitschrift „Kurze Fuffzehn“ schrieb Paß: „Was das Stadion angeht, ist nach der Wahl vor der Wahl.“
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Wenige Monate später verweigerte er als OB seine Zustimmung für eine weitere Bürgschaft der Stadt. Für Paß war RWE ein Fass ohne Boden geworden. Dabei galt die Rettung des maroden Traditionsvereins bis dahin als untrennbar verbunden mit dem Stadionprojekt. Auch die SPD war diesen Weg mitgegangen. Nun schlitterte RWE in die Insolvenz. Die Millionen, welche die Stadt investiert hatte, waren mit einem Schlag so wertlos, wie die vielen, vielen Papiere, die Roland Berger über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstellt hatte. Ob die Berater ihr Geld wert waren? Eine Antwort darauf steht noch aus.