Essen. . Die Gewerkschaft Verdi bestreikt das Postzentrum in Vogelheim. Vor dem Betriebseingang liefern sich beide Tarifparteien einen Schlagabtausch mit meterhohen Bannern. Ab Freitag kommen Trillerpfeifen zum Einsatz.

Auf der Daniel-Eckhard-Straße ist es erstaunlich ruhig, lediglich die Laster der Deutschen Post sorgen für eine gewisse Geräuschkulisse. Der Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Verdi wird bislang nur mit Worten geführt. Am Wendekreis, nur wenige Meter neben dem Eingang des lEssener Zustellzentrums, haben sich knapp 20 Mitarbeiter postiert. Zwei von ihnen halten ein weißes Banner in die Luft, darauf steht: „Wir streiken“. Hinter ihnen kann man mehrere Plakate des Arbeitgebers ausmachen. Die Post setzt sich mit knackigen Überschriften zur Wehr, irgendwie ist das naheliegend bei einer Kommunikationsfirma. „Wir zahlen die besten Löhne“, heißt es auf einer gelben Folie. Am Werkszaun hängt noch ein weiteres Banner, darauf bezeichnen sich Deutsche Post und DHL als Top-Arbeitgeber.

Heute Vormittag um 11 Uhr wird der Streik allerdings in eine laute Phase eintreten. Die Gewerkschaft hat sich bereits mit Trillerpfeifen eingedeckt. Gut möglich, dass die Postoberen mit Megafonen dagegen halten werden. Auch im Inneren der Zustellbasis geht das Kräftemessen weiter: Wenn in der Frühschicht etwa 45 Briefsortierer streiken, schickt die Post rund 30 Aushilfskräfte an die Maschinen. Mehr sind in der Kürze der Zeit nicht zu organisieren. Außerdem fehlt ihnen die Routine der langjährigen Mitarbeiter. Am Ende bleiben 300.000 Sendungen pro Tag liegen. „Es ist nicht so viel wie wir uns wünschen“, so Betriebsrätin Anke Rensmann. „Eigentlich dürfte überhaupt kein Brief mehr angekommen, da in allen Zentren gleichzeitig gestreikt wird.“

Angst vor „vergiftetem“ Betriebsklima

Die Sammelstellen der Post arbeiten in weiten Teilen automatisiert. Der Konzern hat außerdem Verwaltungsmitarbeiter an die Fließbänder geschickt. Dazu kommen Postbeamte und die sogenannten Abrufkräfte. Das sind Studenten, die häufig nur ein paar Stunden im Monat für die Post arbeiten und sich deshalb auch nicht mit dem Wir-Gefühl der Gewerkschaftler identifizieren, beklagt Alfons Nierfeld, ebenfalls Betriebsrat. „Bei Abrufkräften gilt: Wer nicht kommt, der wird auch nicht mehr angerufen. So gesehen, stehen die Aushilfen ebenfalls unter enormen Druck.“

Die Streikenden aus Vogelheim wollen einerseits mehr Geld, vor allem aber geht es ihnen um die 49 Regionalgesellschaften, die DHL Delivery GmbHs. Deren Mitarbeiter erhalten weniger Lohn als die Kollegen bei der Post, obwohl sie die gleiche Arbeit machen, kritisiert Verdi. Deshalb will die Gewerkschaft, dass DHL Delivery unter den Haustarifvertrag der Post gestellt werden. „Wer sagt uns denn, dass das nicht auch irgendwann mit unseren Verträgen gemacht wird“, fragt Nierfeld in die Runde, die sich vor einem Lieferwagen versammelt hat und mit den anderen Kaffee trinkt.

Viele von ihnen stehen bereits seit den frühen Morgenstunden am Betriebseingang. Karl-Heinz Behrens, der Leiter der Niederlassung im Essener Norden, muss am „mobilen Streikbüro“ vorbei fahren. Auch die Streikbrecher kommen hier unweigerlich entlang. „Dem Chef ist natürlich daran gelegen, dass sich beide Seiten schnell einigen“, sagt Anke Rensmann. „Er will kein vergiftetes Klima. Schließlich müssen wir alle nachher weiter zusammenarbeiten.“ Petra Brozkowski ist bereits seit 25 Jahren im Unternehmen. Jeden Tag könnte sie ein Brief von Karl-Heinz Behrens erreichen. Doch möglicherweise wird gerade die Aussendung ihrer Jubiläumsurkunde durch den Streik verzögert.

Kleines Geldgeschenk

Eine Kollegin, die ein paar Monate länger bei der Post angestellt ist, geht zu ihr und berichtet von der Feierlichkeit. „An dem Tag bekommst du frei, und irgendwann geht es sehr schick zum Essen in ein Restaurant in Gelsenkirchen. Den Partner kann man mitbringen, und es gibt einen kleinen Geldbetrag.“ Petra Brozkowski lächelt nur kurz, dann sagt sie: „Unsere Verträge können jeden Tag geändert werden.“ Die 57-Jährige weiß von Mitarbeitern, die deshalb lieber den Mund halten. Volker Coert, der den Ausstand in Essen koordiniert, berichtet vor allen von verbeamteten Mitarbeitern, die eigentlich mit Verdi sympathisieren, aber nicht streiken dürfen.

Der NRZ liegt außerdem ein Schreiben einer Angehörigen vor, deren Ehemann als Bote arbeitet. Diese müssten alle ihre Briefe derzeit von Hand ordnen, kämen mit der Arbeit aber kaum zurecht, weshalb der Druck immer weiter steige.