Essen. . Der Mensch-Tier-Friedhof in Essen bietet eine neue Form der Begräbniskultur - mir uralten Wurzeln. Zielgruppe sind vor allem Ältere, für die der Hund einziger Halt war.

Selbst die Friedhofskultur ist nicht das, was sie mal war: Erdbestattungen weichen Urnenbestattungen. Anonyme Gräberfelder lösen die pompöse Gruften ab. Nun ist eine Beerdigungs-Variante dazu gekommen, die die Grenzen der Toleranz neu herausfordert: In Essen können sich seit Mittwoch Mensch und Tier gemeinsam bestatten lassen, in einem Urnengrab.

Der Ort der Stille heißt „Unser Hafen“. Idyllisch in einem Landschaftsschutzgebiet in Frintrop gelegen, atmet er eine ganz besondere Atmosphäre. Überragt von der historischen Gnadenkirche wirkt diese grüne Lunge mit Wassernapf am Eingang geradezu einladend, vor allem für die Lebenden, die hier jüngst schon mal vorbeischnupperten.

"Wenn es mal soweit ist, würde ich es machen lassen"

Wie Sabrina Markus (31) aus Essen. Sie führt Dabby (2) an der Herzchenleine. Frauchen und Maltipu-Hündin (Malteser-Pudel) gehören im Grunde nicht zur Klientel, viel zu jung die beiden. „Aber wenn es mal soweit ist, würde ich es machen lassen“, sagt Sabrina Markus, die schon mal für die Mutter Ausschau hält. „Das wäre eine Idee für sie. Sie hat zuhause ja noch die Urne unserer letzten Hündin stehen.“ Sie alle lieben Tiere. Und da sei es normal, dass man sich niemals trennen mag.

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Pfarrer Rolf Brandt von der evangelischen Kirchengemeinde hält zur Eröffnung eine Rede über die Bedeutung von Dabbys Artgenossen für die Menschen. Alte Leute seien oft einsam, die Tiere oft der einzige Halt. Da wäre doch auch der Wunsch nach einer gemeinsamen Bestattung verständlich.

Auch wenn es so aussieht, als wenn ein ganzer Stadtteil mit dieser Idee sympathisiert – ein bisschen seltsam ist es doch, Herr Pfarrer. Oder nicht? Nein, es sei in Ordnung. Und das Echo nur positiv, sagt er schnell und ist weg.

"Tiere geben keine Widersorte - Die Ehefrau schon"

Man darf es hier nicht laut sagen, aber gehören Tiere wirklich mit zum Menschen ins Grab, auch wenn sie nur noch Asche sind? Klares „ja“. Selbst auf der Straße kann man fragen, wen man will. „Warum denn nicht?“, sagt ein Mann, der selbst zwar kein Tier hat, aber Leute kennt, die ihr Tier abgöttisch lieben. „Tiere geben keine Widerworte.“ Und schiebt nach: „Die Ehefrau schon.“

Ganz angetan von der neuen Bestattungskultur ist auch die Frau vom Friedhofsblumenladen, Silke Kuckert (45). Zwar führt sie zur Zeit noch Herzen aus Stein mit Worten drauf wie „Dein Lächeln fehlt mir“, doch „das ist ja individuell gestaltbar“. Aus Lächeln kann dann „Bellen“ werden.

Zehn Millionen Deutsche halten Hunde im Haus, nicht selten auch im Bett, zwölf Millionen haben Katzen, und 70 Prozent von denen, die kein Haustier haben, sprechen ihnen den Rang eines Familienmitglieds zu. Das erklärt vieles. Und außerdem ist der neue Ort, wo der Hund begraben ist, die Fortsetzung einer alten Tradition: Denn schon in grauer Vorzeit ließen sich Menschen gemeinsam mit ihren Tieren begraben. Mit Hunden vor 12.000 Jahren in Mesopotamien, mit Katzen, mit Pferden. „Auch Friedrich der Große liegt neben seinen beiden geliebten Windhunden im Garen von Schloss Sanssouci“, sagt Willi Brandt von der Deutschen Friedhofsgesellschaft, die diesen Weg der letzten Ruhe als innovative Marktstrategie ins Leben rief.

Menschen sind falsch, Hunde nicht

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Die Einheit Mensch und Tier sei also tief ins uns verwurzelt. Das spürt auch Wilfriede Liedtke (60). Sie zupft am Grab ihrer Mutter Unkraut. Dass nebenan Mensch und Tier selbst im Tod vereint sein sollen, hält sie keineswegs für verrückt. „Ich arbeite am Kiosk. Da kommen die Leute mit ihren Hunden hin. Ich weiß, wie die an ihren Tieren hängen.“ Warum nur? „Ist doch klar: Menschen sind falsch. Hunde nicht.“ Mit Menschen gebe es ja nur Konflikte.

Aber, Hand aufs Herz: Hunde machen Häufchen, schnarchen, sabbern, müffeln und haben ihren eigenen Kopf. Wie Amber, die französische Bulldogge, die genug hat vom Friedhof und quer über die Wiese saust. „Ammmmbaaaa, hier!“, ruft Gabi Stahl (53) – und das, was den Hund vom Menschen unterscheidet, tritt ein: Der Hund gehorcht!

Für eine Fleischwurst ist Fiffi ein Vorzeige-Partner. Und dem ist der Mensch treu – bis in den Tod.