Essen. Fast 70.000 Überstunden fielen im Jahr 2014 bei der Essener Polizei an. Das Fatale: Der Personalbestand schrumpft unterdessen immer weiter.
Demo nach Demo, immer wieder ein Blitzmarathon und zuletzt der Abmarsch einer Essener Hundertschaft zum G7 Gipfel in Bayern als Krönung: Die Klagen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) über steigende Belastungen für die Beamten nehmen genauso zu wie die Einsatzzeiten. Und die sind fast schon kriminell: Fast 70.000 Überstunden fielen allein im vergangenen Jahr allein in der Essener Behörde an. Keine 37.000 davon konnten davon durch Freizeit ausgeglichen werden. Keine 22.000 wurden finanziell vergütet. Bleiben also mindestens 10.000 Stunden Mehrarbeit, die vermutlich mit ins laufende Jahr geschleppt werden mussten.
Der Berg wächst nach Angaben der GdP auf 150.000 Überstunden, während der Personalbestand schrumpft, wie auf eine Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des FPD-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel hervorgeht: „Wie bewertet die Landesregierung die Stellenentwicklung und Personalverfügbarkeit des örtlichen Polizeipräsidiums angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle?“. So: Binnen vier Jahren ist die Zahl der Beamten im PP Essen um zehn auf 1815 geschrumpft. Legt man allerdings die realitätsnähere Statistik der so genannten belastungsbezogenen Kräfteverteilung zugrunde, steht für Essen ein Minus von 24,3.
„Die Personalsituation ist eng“
Dazu kommt erschwerend: 20 Polizisten dürfen nicht im Nachtdienst eingesetzt werden, drei Beamte sind freigestellte Personalratsmitglieder, elf ihrer Kollegen sind anderweitig länger als zwei Monate abgeordnet, 23 länger als 30 Tage krank, fünf im Mutterschutz, neun suspendiert und einige weitere „sonstig abwesend“, heißt es in dem Bericht des Innenministers, der sich gestern nach der Veröffentlichung des Strukturberichts noch zuversichtlich gab, die absehbare demografische Lücke vor dem Hintergrund der Pensionierungswelle in den Griff zu bekommen.
„Die Personalsituation ist eng“, gibt Ralf Witzel zu bedenken: „Die Kriminalität aber ist nicht zurückgegangen.“ Die Polizei in NRW brauche dringend Verstärkung: 1800 Neueinstellungen pro Jahr seien notwendig. Um allein in Essen alle freien Stellen zu besetzen und Personalverluste auszugleichen müssten 300 zusätzliche Polizisten ihren Dienst versehen dürfen, so die örtliche GdP. Angesichts der kurzen Personaldecke sei es umso wichtiger, „die richtigen Schwerpunkte“ zu setzen, so Witzel, der nur zu gerne den wiederkehrenden Blitzmarathon als eine Show-Veranstaltung des Innenministers geißelt.
Einmal mehr auf Anfrage der FDP hin musste Ralf Jäger die nach Witzels Meinung „magere Bilanz“ der letzten Überwachungsaktion der Essener Behörde vom 16. April veröffentlichen. Das Resultat von 8.160 Fahrzeugkontrollen: Es wurden neun Gurtverstöße (0,1 Prozent der Fahrer) und 148 Geschwindigkeitsüberschreitungen (1,8 Prozent) festgestellt – so wenig wie noch nie zuvor. Auch von einer besonderen Schwere der Handlungen ist, so der Landtagsabgeordnete, sei nichts bekannt. Dennoch sind für den Einsatz 65 Polizeibeamte im Dienst gewesen und haben zusammen 512 Dienststunden für die Aktion aufgewendet. Im Vergleich mit anderen Städten und benachbarten Polizeipräsidien ist diese Größenordnung in der Tat bemerkenswert: In Bottrop hat die 24-Stunden-Aktion neun Polizeibeamte beschäftigt, in Oberhausen waren es 26 und in Bochum 32, geht aus der Statistik des Innenministeriums hervor.