Essen. Seit vier Wochen sind die Kitas zu und ein Durchbruch ist nicht in Sicht. Die Eltern sind verzweifelt und bald an ihrer Belastungsgrenze angekommen.

Der Kita-Streik geht jetzt in die vierte Woche und viele Eltern sind der Verzweiflung nah. Der Jahresurlaub ist schon weg, die Omas haben auch nicht jeden Tag Zeit und alleine lassen kann man die Kurzen zu Hause ja auch nicht. Was jetzt? Unbezahlter Urlaub? Niemand weiß bis jetzt, wie es weiter geht. Bis Mittwoch werden Verdi und die Arbeitgeber verhandeln. Doch ein Ende des Streiks scheint nicht in Sicht.

„Was sollen wir denn machen? Natürlich ist die Situation für Eltern und Kinder schlimm. Wir müssen das jetzt aber durchziehen, sonst war alles umsonst“, betont Martina Peil, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi in Essen. Das Angebot seitens der Arbeitgeber sei schlicht lächerlich.

Leidtragenden des Schlagabtausches sind Eltern und Kinder

„Viele haben einfach keine Ahnung, wie der Alltag einer Erzieherin aussieht“, wettert Peil und ergänzt, dass den Erzieherinnen sehr wohl das Herz blute, wenn sie die Kinder nicht betreuen können, zumal sie Pläne und Projekte für die Kleinen erarbeitet hätten, die sie jetzt nicht verwirklichen könnten.

Die Leidtragenden des Schlagabtausches sind jedoch die Eltern und Kinder. Das dafür eingerichtete Telefon bei der Stadt steht seit dem 11. Mai nicht mehr still. „Wir nehmen jeden Tag locker 50 Gespräche an“, sagt Peter Herzogenrath, Sprecher des Jugendamtes. Von Verzweiflung bis Wut sei alles dabei. Die am häufigsten gestellte Frage sei aber, wann der Streik endlich aufhöre. „Leider können wir diese Frage nicht beantworten und müssen alle Anrufer vertrösten“, bedauert Herzogenrath. Die Not bei den Eltern ist groß, wie er sagt, so langsam lässt die Bereitschaft der Verwandten und Nachbarn, die Kinder zu hüten, auch nach. 48 städtische Kindertagesstätten werden bestreikt, die Notgruppen wechseln von Woche zu Woche – Informationen dazu gibt es auf der Internetseite der Stadt Essen. „Diese Gruppen sind wirklich nur für Kinder, deren Eltern sich in einer deutlichen Notlage befinden wie die Alleinerziehenden“, sagt der Sprecher des Jugendamts.

Kathleen Lyß kann davon ein Lied singen. Als Mutter eines einjährigen Sohnes und einer fünfjährigen Tochter muss sie jeden Tag neu planen. Einen Alltag gebe es laut der Sprecherin des Jugendamtselternbeirates nicht mehr. „Zum Glück kann ich auf die beiden Omas zählen. Aber immer geht das auch nicht“, sagt Lyß. Dann müsse sie zu Hause bleiben und die Kinder hüten. „Wenn mein Mann abends nach Hause kommt, setze ich mich an den Schreibtisch und arbeite oft bis in die Nacht“, klagt die Mutter.

Kinder haben Schlafstörungen

Das größte Problem sei der einjährige Sohn. „Ich kann den Kleinen nicht jeden Tag woanders hingeben. Er braucht seine Bezugspersonen und die Routine“, so Kathleen Lyß, die schon von einigen Eltern gehört habe, dass die Kinder aufgrund der ständigen Wechsel Schlafstörungen hätten. „Ich bin froh, dass mein Arbeitgeber so verständnisvoll ist und ich zu Hause arbeiten kann“, sagt die Informatikern, „doch wenn der Streik noch bis Juli geht, bin ich ein Wrack.“

Viele Arbeitgeber zeigen sich verständnisvoll, das sagt zumindest Ulrich Kanders, Geschäftsführer beim Essener Unternehmensverband. „Bis jetzt haben alle Mitgliedsunternehmen die Situation regeln und eine Lösung finden können. Viele sind selbst Eltern und können sich daher gut in die Betroffenen hineinversetzen“, weiß Kanders. Die Lösungen der Arbeitgeber seien die Arbeit von zu Hause aus, der unbezahlte Urlaub, die Erweiterung der firmeninternen Kita-Gruppe oder das Mitbringen der Kinder ins Büro. Doch, auch wenn es laut des Experten noch keine Abmahnung gegeben habe, irgendwann sei laut Kanders allerdings der Zeitpunkt da, einen Schlichter in die Verhandlungen zu involvieren. Denn so werde auch der Volkswirtschaft geschadet.

So sehr die zweifache Mutter Kathleen Lyß und auch die anderen Eltern hoffen, dass der Streik schon bald ein Ende hat, sie selbst glaubt noch nicht daran. Für Martina Peil von Verdi steht indes schon fest, dass es ohne ein annehmbares Angebot am Mittwoch kein Ende geben wird. Für die Eltern dürfte die Zerreißprobe weitergehen, auch mit Blick auf die anstehenden dreiwöchigen Sommerferien in den Kitas.