Essen. Immer mehr Essener mieten sich ein Stück Acker und versuchen sich als Hobby-Landwirte. Doch ganz so einfach wie es klingt ist das in Wahrheit nicht.

Von der Straße aus betrachtet sieht der Acker am Schuirweg 65 aus wie ein gewöhnliches Stückchen Erde. Noch ist nicht zu erkennen, was hier in den nächsten Wochen und Monaten wachsen soll. Nur, wer ganz genau hinsieht, erkennt in der Ferne hunderte kleine Holztafeln und Seile, die den unscheinbaren Acker in etwa gleich große Abschnitte aufteilen. Hier und da sind bereits ein paar zarte Gewächse zu sehen: Bohnen, Kohlrabi, Wirsing, Rotkohl, Radieschen, Porree und Salat – so steht es jedenfalls auf den Schildern, die momentan noch darauf warten, dass sie jemand in die Erde stößt.

Nikolaus Weber wird sich im Laufe des Vormittags darum kümmern, doch zunächst muss er mit Fachwissen zum Thema Unkraut aushelfen – ein Klassiker. Der Landwirt unterhält sich ein paar Minuten mit einer Bekannten, die bei ihm bereits zum zweiten Mal 50 Quadratmeter Acker gepachtet hat. Rund 150 Parzellen hat die Familie Weber in dieser Saison an Hobby-Bauern vermietet, jedes Jahr werden es mehr. Einige von ihnen wollen schlicht vom Alltag abschalten, andere sehen in der Selbstversorgung mit Gemüse eine Alternative zu Supermärkten.

Keine Ernte auf der Margarethenhöhe

Für 50 Quadratmeter Ackerfläche verlangt Weber 120 Euro, inklusive Arbeitsgeräten und Tipps vom Profi. 100 Quadratmeter kosten doppelt so viel. „Das ist der Preis für die Saison und nicht für den Monat“, sagt Weber, der immer häufiger auf Menschen trifft, die auch bereit wären, ihm diese Summe alle vier Wochen zu überwiesen. Wer ein Stück Land auf dem Oberschuirshof mietet, bekommt eine Parzelle, die zu 80 Prozent vorbereitet ist. „In allen Feldern gibt es vier Reihen Kartoffeln, dann haben wir beispielsweise Brokkoli, Spinat, Mangold, Sellerie und Fenchel gepflanzt“, berichtet Weber. 20 Prozent der Fläche können die Mieter frei gestalten.

Der 33-Jährige Bauer kniet sich neben Hanne Schild, die gerade dabei ist, einen kleinen Kräutergarten anzulegen. Vor ihr liegt eine Tüte mit Zwiebelknollen, die sie vor ein paar Tagen von ihrem Sohn geschenkt bekommen hat, ein paar Meter weiter steht eine Gießkanne. „Letztes Jahr war ich noch ein völliger Neuling“, erinnert sich die 63-Jährige. „Auf der Margarethenhöhe haben wir zwar einen Gemeinschaftsgarten, aber da können wir natürlich nichts ernten, deshalb habe ich hier angefangen.“

Der jüngste Hobby-Bauer ist 22 Jahre alt

Inzwischen kennt Schild auch den Unterschied zwischen Unkraut und Möhren. Vor ein paar Monaten war sie sich noch nicht so sicher und als die Gräser eines Tages kniehoch standen, da passierte das Malheur. Versehentlich riss Schild mehrere Büschel Möhren aus der Erde. Die Essenerin legt den Kopf verlegen zur Seite, Nikolas Weber nickt ihr daraufhin freundlich zu. „Wer sich in den wichtigen 14 Tagen nicht kümmert, bekommt schnell Probleme“, betont er und verspricht, in seinem nächsten Newsletter noch mal auf Tücken der Urlaubszeit hinzuweisen. Weber hat einigen Kunden auch schon mit Literatur ausgeholfen. Die meisten aber klicken sich einfach durchs Internet und versuchen, sich ihr Wissen selbst anzueignen.

„Mein jüngster Hobby-Bauer in dieser Saison ist gerade mal 22 Jahre alt“, berichtet Weber und holt aus: Am Anfang habe der Junge ja nicht so recht gewollt und sei eher mit seinen Freunden mitgegangen. Dann aber habe er gemerkt, dass man auch eine kleine Parzelle von 50 Quadratmetern durchaus wirtschaftlich betreiben kann. „Auf einmal war das Feuer bei ihm geweckt und er wollte immer wieder Salat und Radieschen nachpflanzen. Tomaten und Paprika haben dagegen nicht so gute Aussichten auf Erfolg. Ich finde es toll, dass junge Erwachsene sich mit solchen Dingen beschäftigen, eigentlich haben die doch andere Sorgen.“

Mehr regionale Produkte

Die meisten Mieter haben sich ein paar persönliche Dinge neben ihr Stückchen Land gestellt: Klappstühle, Kisten mit Saatgut und Wolldecken, außerdem alte Kleidung und Hüte, aus denen sich der ein oder andere später eine Vogelscheuche bastelt. Ein ziemlich auffälliges Exemplar trägt einen löchrigen Taucheranzug, doch die richtig schrillen Scheuchen kommen erst in den nächsten Wochen, verspricht der Bauer.

Nikolaus Weber ist inzwischen bei seinem Traktor angekommen. Der Landwirt steigt ein und winkt zwei Frauen, die ihren Wagen gerade auf dem Parkplatz abgestellt haben. Anna-Katrin Sandmann und Kondja Lupp arbeiten eigentlich in einem Team, zusammen mit vier Freunden, doch da nicht immer alle zur gleichen Zeit auf dem Feld sein können, hat sich das Team abgesprochen und Dienste eingeteilt. „Wir wollen mehr regional essen und haben uns deshalb im Freundeskreis umgehört, wer sich an dem Projekt beteiligen möchte“, berichtet Lupp.

Die 29-Jährige ist bereits das dritte Jahr auf dem Oberschuirshof. Von den Ernteerträgen kann die Gruppe fast das ganze Jahr über essen. „Eine vierköpfige Familie muss kaum Gemüse dazu kaufen. Viele Pächter verschenken ihre Produkte auch anstelle von Blumen“, so der Bauer, „weil sie gar nicht alles selbst essen können.“ Dann kramt er sein Handy aus der Tasche und zeigt ein Foto, das ihm eine Kundin geschickt hat. „Alles von nur einem Erntetag.“