Oberhausen. Die Studio-Bühne zeigt das KZ-Drama „Hüter der Zeit“. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem düstersten Kapitel deutscher Geschichte. Und die beiden Hauptdarsteller zeigen eine großartige Leistung.

Eine Freundschaft in Krisenzeiten: Regisseur Stephan Rumphorst gelingt es aus dem KZ-Drama „Hüter der Zeit“ ein eben zeitloses Stück zu machen, das zeigt, wie Menschen ihre Vorurteile überwinden können – wenn sie äußere Umstände dazu zwingen.

Auch wenn der Titel es vermuten lässt, verbirgt sich hinter dem Stück keine Fantasy, sondern es wird ein nur allzu realistisches Kapitel deutscher Historie aufgerollt. Der amerikanische Autor Don Clancy erzählt die Geschichte des jüdischen Uhrmachers Benjamin, der zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs Gefangener im Konzentrationslager Sachsenhausen ist. Immerhin: Dort genießt er eine Sonderstellung, denn er bereitet die Uhren der KZ-Opfer für die oberen Nationalsozialisten auf.

Die Wächter stellen ihm den homosexuellen Hans zur Seite: Um sein eigenes Leben zu retten, gab dieser an, sich mit Uhren auszukennen. Doch Benjamin muss bald feststellen, dass dies eine Lüge war – und fühlt sich nur allzu schnell in seinen Vorurteilen gegenüber Schwulen bestätigt. Und auch Hans kann sich besseres vorstellen, als einem Juden zuzuarbeiten. Langsam entdecken sie jedoch Gemeinsamkeiten wie die Liebe zur Oper. Und nicht zuletzt das ständige Drangsalieren eines Wachmanns sorgt für eine allmähliche Annäherung.

Clancy verliert sich nicht in Wehmut, sondern erzählt seine Geschichte durchaus mit Humor. Gerade Hans versteht es, mit sarkastischem Witz manche unerträgliche Situation aufzubrechen.

Kostüme zitieren Häftlingskleidung

Der Regisseur Rumphorst holt mit seiner nüchternen Inszenierung das Stück aus seinem geschichtlichen Kontext heraus und verwandelt das KZ-Setting in ein allgemein gültiges Symbol für Unterdrückung und Machtmissbrauch. Dazu tragen auch die von Anke Kortmann entworfenen Kostüme bei: Sie zitieren die Häftlingskleidung, die Gefangene im Konzentrationslager tragen mussten, zwar in Form, aber nicht in der Farbgebung.

Getragen wird das Kammerspiel vor allem von seinen beiden Hauptdarstellern, die vergessen machen, dass der Zuschauer eigentlich in einem Amateurtheater sitzt: Johannes Brinkmann tariert seinen Benjamin zwischen Arroganz und Angst aus, Michael Steinhorsts Hans spielt die witzige Tucke, um von der eigenen Verletzlichkeit abzulenken.

Ein eindringlicher Theaterabend, bei dem man sich fragt, warum ein solch grandioses Stück hierzulande so selten auf dem Spielplan steht. Gut, dass es in Essen eine freie Bühne gibt, der es immer wieder gelingt, solcherlei Stoffe zu entdecken, die auch manch städtischem Theater gut zu Gesicht stehen würden.

Das Stück (90 Minuten ohne Pause) wird für Zuschauer ab 16 Jahren empfohlen. Die Produktion ist eine Kooperation mit dem Antidiskriminierungsprojekt „Schule der Vielfalt“. Weitere Termine: 7., 8. und 21. November, je 20 Uhr. Karten: 55 46 01.