Essen. . Als Vorsitzender von Cap Anamur war der Essener Kinderarzt Werner Strahl in der umkämpften Ostukraine unterwegs. Hilfsaktion für Krankenhaus startet.

Der Krieg in der Ukraine schafft es nur noch selten in die Abendnachrichten und auf die Seite 1 der Tageszeitungen. Andere Nachrichten haben den militärischen Konflikt im Südosten des Landes in die Randspalten verdrängt. Dabei wird noch immer geschossen, die Menschen leiden. Doktor Werner Strahl, Vorsitzender der Hilfsorganisation Cap Anamur und vielen Essener Familien als langjähriger Kinderarzt in Werden wohl bekannt, konnte sich davon jetzt mit eigenen Augen überzeugen.

Eine Woche lang war der Mediziner mit dem Auto im Osten der Ukraine unterwegs, um sich selbst ein Bild vor Ort zu machen und um zu erkunden, wo Cap Anamur Hilfe leisten kann. Mehr 1000 Kilometer haben er und seine Begleiter, darunter Gesina Pansch, Gründungsmitglied der Deutsch-Russischen Gesellschaft in Essen als Dolmetscherin, im Kriegsgebiet zurückgelegt. Dass sie trotz der vielen zerstörten Straßen möglichst schnell fahren möge und sich bloß nicht anschnallen dürfe, war weniger ein gut gemeinter Rat als ein Befehl, den ihm Schwerbewaffnete an einem der zahlreichen Checkpoints mit auf den Weg gaben.

"Es gibt nach wie vor Kriegshandlungen“

„Ja, es gibt nach wie vor Kriegshandlungen“, berichtet Werner Strahl nach seiner Rückkehr. „In der Ferne haben wir Detonationen gehört.“ Dass die kleine Reisegruppe nicht selbst in Gefahr geriet, darf man unter den Umständen, wie sie Strahl schildert, wohl eine gute Portion Glück nennen.

Das Friedensabkommen Minsk II erweist sich trotz aller Lippenbekenntnisse derer, die es ausgehandelt haben, als brüchig. Wie in jedem Krieg leide die Zivilbevölkerung. Oft harrten nur Alte und völlig verängstigte Kinder in den Dörfern aus, berichtet Strahl. Angetroffen habe er zutiefst deprimierte und traumatisierte Menschen, die keinen Sinn in diesem Krieg sehen. Während in der Hauptstadt Kiew der Nationalismus blüht; auch davon habe er sich überzeugen können, berichtet Strahl. In der Ostukraine dagegen herrsche großes Leid. Die Renten reichten kaum zu überleben. Wer Arbeit habe, wartet nicht selten seit Monaten auf seinen Lohn. Strahl berichtet von einem noch funktionierenden Bergwerk. Gefördert werde nur noch auf Halde, denn die Schienenwege für den Abtransport der Kohle seien zerstört.

Es ist ein hoffnungsloses Bild

„Schon vor dem Krieg war die wirtschaftliche Lage im Osten der Ukraine schlecht“, so Strahl. Nun liege die Wirtschaft am Boden. Es ist ein hoffnungsloses Bild, das der Werdener zeichnet. Und wie sieht es jenseits der Front aus? Dass die Lage in den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Bezirke Donezk und Luhansk nicht besser ist, erfuhr der Strahl durch Telefonate seiner Begleiter mit Verwandten. Auch dort seien die Menschen des Krieges müde. Dies habe man ihm vermittelt. Der Reisegruppe selbst blieb der Zugang mangels Passierscheine verwehrt. Wo zuerst helfen bei so viel Leid? In einem Krankenhaus in Svitlodarsk, einer Kleinstadt nahe der Frontlinie. „Von 25 Ärzten sind nur zehn geblieben. Seit Januar gab es weder Geld noch Medikamente“, berichtet der Werdener. Es fehle am Allernötigsten. Für dieses Krankenhaus wolle Cap Anamur eine Hilfsaktion starten. Die Organisation hofft einen Operationssaal und eine Kinderstation mit Spenden finanzieren zu können. Ein Mitarbeiter soll vor Ort sicherstellen, dass das Geld auch an der richtigen Stelle ankommt.

Ob die angespannte Lage im Kriegsgebiet sich alsbald entspannen wird? Werner Strahl mag keine Prognose wagen. Allein lassen dürfe man die Menschen jedenfalls nicht. Während des Tschetschenienkrieges habe Cap Anamur drei mal geholfen, in Grosny dasselbe Kinderkrankenhaus wieder aufzubauen“, erzählt Strahl. Es bleibt die Hoffnung, dass sich so etwas nicht wiederholt.