Essen. Heute ist der Welttag des Buches. Höchste Zeit, einen Blick auf Essens Buchhändler zu werfen.

„Sie müssen nicht zum Amazonas reisen, wenn es Bücher bei Ihnen um die Ecke gibt.“ Mit diesem Satz wirbt ein bekannter Schweizer Buchverlag seit geraumer Zeit auf Postkarten und Plakaten. Es ist ein Wahlspruch für den unabhängigen, inhabergeführten Buchhandel. Der lebt auch in Zeiten von Amazon und E-Books und gibt sich erstaunlich selbstbewusst – nicht bloß am heutigen Welttag des Buches. Wer in Essen ein Buch sucht, der wird gewiss fündig. Ortsbesuche im Laden um die Ecke.

Die Westhoffsche Buchhandlung versteckt sich in diesen Tagen hinter einem Baugerüst, der Altbau in Steele wird gerade saniert. Hat man aber die Türschwelle hinter sich, ist der Lärm der Maschinen schnell vergessen. Bücher, wohin man auch sieht: In meterhohen alten Holzregalen, gestapelt auf Tischen. Im Schrank hinter der Kasse stehen Reclam-Hefte, fein säuberlich nebeneinander gereiht. Klar, die gelben, wie man sie heute kennt, doch darunter auch ein paar graue – wie man sie vielleicht vor 30 Jahren kannte. Goethe, Schiller, Kleist, deutsche Klassiker. Es vergeht eigentlich keine Woche, erzählt Inhaber Reinhard Platzer, in der Leute zum ersten Mal zu ihm in den Laden kommen und sagen: „Das ist ja noch eine richtige Buchhandlung.“ Eine mit Tradition, denn die Westhoffsche in Steele existiert bereits seit 1893, Platzer und seine Frau Annemarie führen das Geschäft seit 1981.

Die Kunden schätzen die persönliche Beratung

Die Zeit scheint hier zwar stehen geblieben zu sein, doch die Platzers betreiben keineswegs ein Antiquariat. Kaufen kann man hier zwar einen Großteil mehr oder weniger gängiger Neuerscheinungen, der Fokus liegt aber auf Büchern, die nicht unbedingt bei den großen Buchhandlungen im Regal stehen und auf keiner Bestsellerliste auftauchen. Romane aus dem arabischsprachigen Raum oder von unabhängigen Verlagen. Kurzum: Es sind Bücher, die den beiden Händlern selbst gut gefallen. „Wir lesen sehr viel“, sagt Annemarie Platzer. „In der Regel zwei bis drei Bücher pro Woche.“ Die Kunden schätzen die persönliche Beratung, freuen sich auf den Plausch vor dem Kauf oder neueste Empfehlungen.

„Wir sind uns treu geblieben“

Was sich durch Internet und Amazon verändert hat? „Wir sind uns treu geblieben“, sagt Reinhard Platzer. Soll heißen: nicht allzu viel. Einen Online-Shop haben die beiden nicht eingerichtet, wer unbedingt möchte, kann per E-Mail bestellen – abgeholt werden müssen die Bücher trotzdem im Laden. Und will man dessen Charme überhaupt gegen einen Internetwarenkorb eintauschen?

Ortswechsel: Für seine Buchhandlung in der Werdener Altstadt hat Thomas Schmitz schon 2007 einen Internetshop eingerichtet. „Heute machen die Bestellungen dort bis zu zehn Prozent des Umsatzes aus“, sagt Schmitz. Das Angebot sei bis auf wenige Ausnahmen nicht kleiner als bei Amazon. Doch auch Schmitz setzt voll auf den stationären Handel. Er betreibt neben der eigentlichen Buchhandlung noch eine Kinderbuchhandlung.

"Kleiner, unabhängiger Buchladen"

Als Stadtteil-Geschäft sieht Schmitz sich in gewissem Maße für die Nahversorgung der Werdener zuständig: „Es gibt Sachen, die muss man haben.“ Bestseller, Kochbücher, Reiseführer, den Duden. Ebenso zählt auch für Schmitz die persönliche Beratung, das besondere Buch im Angebot, die belesenen Mitarbeiter. „Ein Algorithmus kann einem zwar den hundertsten Krimi aus Skandinavien empfehlen“, sagt Schmitz. „Dass der Krimi aus Kuba vielleicht viel besser ist, da wäre ein Computer niemals drauf gekommen.“

Das Geschäftsmodell „kleiner, unabhängiger Buchladen“ hält Schmitz trotz Amazon weiterhin für erfolgsversprechend. „In der Nische lässt es sich gut leben.“ Vielmehr hätten die großen Ketten zunehmend Probleme, denn Mayersche oder Thalia könnten weder mit der unendlichen Angebotsvielfalt im Internet konkurrieren noch die ausführliche Beratung einer Vor-Ort-Buchhandlung leisten.

Lesungen, Diskussionen, Konzerte

Weiter in die Innenstadt: Essen zentralster Buchladen (drei Gehminuten vom Hauptbahnhof) ist gleichzeitig wohl der mit dem anspruchsvollsten Programm. Die Buchhandlung Proust bietet auch das, was in den Feuilletons besprochen wird, hochliterarischen Romane und vertiefende Sachbücher. „Siebzig Prozent des Angebots bestehen aus Büchern von unabhängigen Verlagen“, sagt Peter Kolling, Beate Scherzer ergänzt: „Wir haben eine Mischung von Büchern, die man sonst noch nicht unbedingt gelesen hat.“ Darüber hinaus gibt es ausgewählte Musik, Jazz und Klassik.

Die beiden Inhaber versuchen ihre Kunden vor allem über Veranstaltungen an sich zu binden: Lesungen, Diskussionen, Konzerte. Der Aufwand heute ein Buch zu verkaufen, sei mindestens drei Mal so hoch wie vor 20 Jahren, sagt Kolling. „Die hochklassigen Veranstaltungen sind unser Alleinstellungsmerkmal. Wir müssen etwas machen, was die Leute zieht.“ Selbstbewusst sind die beiden Macher von Proust, gerade ist die Bewerbung für den Deutschen Buchhandelspreis herausgegangen, der 2015 erstmals verliehen wird. Scherzer und Kolling wollen unter die besten 100 kommen, mindestens.