Essen. Weil die Supermärkte genauer kalkulieren, aber auch aus saisonalen Gründen, verzeichnet die Essener Tafel Lebensmittel-Engpässe.
Die Tafeln betrachten mit Sorge, dass ihr karitatives „Geschäftsmodell“ unter Druck gerät - auch in Essen. Pro Woche kommen etwa 6000 bedürftige Bürger zur Lebensmittelausgabe am Wasserturm an der Steeler Straße, weil bei kleinen Renten, geringen Arbeitseinkommen oder Hartz IV-Bezug die Lebensmittel als Ergänzung hochwillkommen sind. Überschüssige Ware aus Supermärkten ist ein wichtiger Faktor, um diesen Service bieten zu können. Genau diese Überschüsse haben in den vergangenen Jahren stark abgenommen, und dabei wird es wohl auch langfristig bleiben, glaubt der erste Vorsitzende der Tafel, Jörg Sartor.
„Der wirtschaftliche Druck für Supermärkte wird immer größer. Daher kaufen die Märkte heutzutage wesentlich genauer ein, kalkulieren so, dass so wenig wie möglich übrig bleibt“, erklärt Sartor. Tägliche Anlieferung hat die früher übliche wöchentliche abgelöst, was viel präzisere Belieferungen ermöglicht. Die optimierten wirtschaftlichen Prozesse könne man den Filialleitern natürlich nicht zum Vorwurf machen, betont der Tafel-Vorsitzende: „Die Menschen stehen ja morgens auf, um Geld zu verdienen und nicht, um überschüssige Ware anschließend an die Tafeln zu verteilen.“ Das Phänomen ist im übrigen auch bei Tafeln in Nachbarstädten bekannt.
Saisonbedingter Rückgang von etwa 50 Prozent bei Obst und Gemüse
Momentan lässt sich laut Sator auch ein Rückgang von etwa 50 Prozent bei Obst und Gemüse verzeichnen, dies aber sei saisonbedingt und passiere im Winterhalbjahr immer. Die Supermärkte kaufen dann aufgrund der höheren Preise für Obst und Gemüse weniger davon ein.
Die Sorge, dass die Tafel einkommensschwache Menschen eines Tages nicht mehr unterstützen könnte, hat Sartor aber nicht. „Es wird immer etwas übrig bleiben“, so der Vorsitzende, der seit nunmehr zehn Jahren für die Essener Tafel aktiv ist.
Essener Tafel unterstützt 6000 Einzelpersonen und über 100 Einrichtungen
Solche Überschüsse sind auch nötig. Denn zu den erwähnten 6000 Einzelpersonen kommen über 100 Einrichtungen, wie Kindertagesstätten oder Initiativen für Wohnungslose, die von den ehrenamtlichen Helfern der Tafel beliefert werden. Insgesamt sind es wöchentlich rund 16 000 Menschen, die in dieser Stadt regelmäßig von der Essener Tafel versorgt werden.
Es könnten wohl noch wesentlich mehr Menschen sein, die einen Teil ihrer Verpflegung über die Essener Tafel abdecken würden, aber die Kapazitäten bei den etwa 120 ehrenamtlichen Helfern sind erreicht. Mit sechs großen Wagen sind sie täglich unterwegs und sammeln knapp zehn Tonnen Lebensmittel ein, die in den Geschäften nicht mehr verkauft werden können oder erst gar nicht den Weg in die Supermärkte finden. Krumme Möhren, Äpfel mit Druckstellen, defekte Verpackungen von Reis und Nudeln oder Joghurt mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum - eben alles, was Filialleiter nicht zum Verkauf in die Regale legen möchten.
Zu den Grundgedanke der Tafeln gehört nicht nur die Hilfe für Bedürftige, sondern auch, Lebensmittel vor dem Vernichten zu retten. In Essen sind das immerhin beachtliche zehn Prozent der zum Verzehr vorgesehen Waren.