Essen. . Am Ende des Monats bleibt vom Hartz-IV-Geld oft nicht mehr viel übrig. Dann wenden sich rund 70 Essener Familien an die Hilfe der Tafel-Ausgabestelle der Gemeinde St. Gertrud. Jeden Dienstag verteilen dort acht Damen ehrenamtlich Lebensmittel an rund 114 Menschen.

Geschichten von Arbeitslosigkeit, Existenzängsten und den Nöten um das schmale Budget, das Hartz-IV-Empfängern zur Verfügung steht, hören die acht Damen, die in der Gemeinde St. Gertrud in Essen die Tafel-Ausgabestelle betreuen, seit Jahren. Brot, Gemüse, und Seelentrost verteilen sie immer dienstags. „70 Familien sind bei uns gelistet, wenn man die Kinder mitrechnet, versorgen wir wöchentlich 114 Personen mit Lebensmitteln“, sagt Barbara Breuer.

Gewachsen ist das Hilfesystem der Gemeinde mit den Jahren. 2005 in einer improvisierten Ausgabe-Stelle gestartet, wuchs die Nachfrage rasch. Seit drei Jahren nutzen die Frauen den Gertrudis-Saal, vor dem sich die Hilfesuchenden treffen lange bevor die Ausgabe beginnt. „Anfangs standen die Menschen oft schon Stunden, bevor wir geöffnet haben vor der Tür“, sagt Breuer. Nun werden Nummern blind aus einem Stoffsäckchen gezogen und verteilt, die Wartenden aufgerufen, wenn sie an der Reihe sind, womit das stundenlange Anstehen ein Ende hatte.

Die Lebensmittel liefert die Essener Tafel

Dass auch der letzte noch gut gefüllte Taschen mit nach Hause nehmen kann, ist der Erfahrung der Helferinnen zu verdanken. „Im Vorfeld Tüten zu packen, macht wenig Sinn“, sagt Annegret Hill. „Muslime würden das Schweinefleisch nicht anrühren, andere mögen kein Körnerbrot und dann wandert es in den Müll. Sinnvoller ist doch, dass die Leute sich das aussuchen können, was sie haben möchten.“ Was aber nur funktioniert, weil die Frauen das Angebot gut im Blick haben, nicht an einer Stelle zu viel ausgeben und zum Ende hin passen müssen.

Sechs Stunden vor Beginn der Ausgabe kommen sie zusammen, rücken Tische, nehmen die Waren, die die Essener Tafel liefert, an und verteilen sie ansprechend auf den Tischen. Brot und Brötchen kommen vor der „Obst- und Gemüseabteilung“ auf die Tische, Wurst und Fleischerzeugnisse sind ausnahmslos vakuumverpackt in der Auslage. Pünktlich um 16.30 Uhr verteilt Barbara Breuer die Wartenummern. Doch auf dem Kirchplatz scheinen es die Leute nicht eilig zu haben.

Vom Hartz-IV-Geld ist oft am Ende des Monats nichts mehr übrig

Zeit ist, für einen kurzen Plausch unter Gleichgesinnten. Hier muss sich niemand schämen, auf Aussortiertes aus Supermärkten und Bäckereien angewiesen zu sein. Im Gegenteil: „Ich freue mich, hierher zu kommen“, sagt eine Frau. „Ich bekomme Hartz IV und selbst wenn ich noch so sehr rechne, am Ende des Monats ist nichts mehr übrig.“ Der symbolische Euro für die Tafel-Lebensmittel ist noch drin. Doch es kommen andere, die selbst den nicht mehr entbehren können.

2500 Menschen versorgt die Tafel

Die Lebensmittelausgabe in der Gemeinde St. Gertrud hat immer dienstags von 16.30 bis 18 Uhr geöffnet.

Wer in die Liste der Hilfeempfänger aufgenommen werden will, muss bei der Tafel-Geschäftsstelle im Steeler Wasserturm seine Bedürftigkeit nachweisen.

Menschen mit dem entsprechenden Anspruch können ein Jahr lang Lebensmittel bekommen. Anschließend müssen sie ein Jahr pausieren.

Die Tafel erreicht mit ihrem Angebot täglich etwa 2500 Esser. Neben den Ausgabestellen werden auch Schulen und Kindergärten beliefert.

Die Damen, sie kennen ihre Kunden. „Bei manchen schreiben wir auch an, denn wir wissen, dass sie Anfang des nächsten Monats den Euro nachzahlen“, sagt Barbara Breuer. Doch es gibt auch die, die an diesem Tag wehmütig in den Gertrudissaal kommen. Nicht länger als ein Jahr vergibt die Tafel Berechtigungsscheine an Hilfebedürftige. „Wenn das Jahr um ist, muss man für ein Jahr aussetzen“, erklärt Annegret Hill, die sich stets bemüht, zum Abschied etwas Besonderes aus ihrem Süßwaren-Sortiment zu überreichen.

Eineinhalb Stunden nach Beginn der Ausgabe ist fast alles verteilt. Ein paar Äpfel und Mandarinen sind übrig, „die bringen wir morgen zur Tafel, damit sie nicht bis zur nächsten Woche hier liegen und schlecht werden“, sagt Breuer, während sie gemeinsam mit den anderen Frauen Tische rückt, nun leere Kiste stapelt und den Saal fegt. „Natürlich ist man nach dieser Arbeit geschafft“, sagt Karin Glaubitz. Warum die Damen dennoch anpacken? „Weil es Spaß macht, ein wenig helfen zu können und weil die Kontakte zu den Menschen so nett sind“, sagt Annegret Hill.