Essen. . Ratsherr Jochen Backes verlässt als letzter Ratsherr der „Alternative für Deutschland“ die Partei, weil der neue Vorsitzende des Essener Stadtverbandes, Stefan Keuter, den Kontakt zu Pegida nicht scheut.

Die meisten Wortmeldungen von Populisten kommen so überraschend wie gesetzliche Feiertage. Eilig veröffentlichte Pro NRW so gestern ein Kooperationsangebot an die „Alternative für Deutschland“, nachdem Ratsherr Jochen Backes den Richtungsstreit im Essener Stadtverband der „Alternative“ bekannt gemacht hatte: Backes tritt aus der AfD aus, weshalb die europakritische Partei im Stadrat ihr drittes und letztes Mandat verliert (siehe Kasten). Alternativlos erscheint Backes dieser Schritt nach einem „Rechtsruck in der Essener AfD“, dem ein „monatelanger Eskalationsprozess“ vorausgegangen sei. Ausgelöst hatte diesen der bis Sonntag stellvertretende Sprecher Stefan Keuter: Er war Anfang des Jahres gleich dreimal bei den von gewaltbereiten Neonazis unterwanderten Duisburger Pegida-Demonstrationen als Redner aufgetreten. Am Sonntag wurde der 42-Jährige auf einer außerordentlichen Versammlung mit 19:14 Stimmen zum Essener AfD-Chef gewählt.

Dreimal bei Duisburger Pegida-Demos auf der Bühne

Noch im Stadtrat, aber nicht mehr für die AfD

Bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 gewann die AfD Essen drei Ratsmandate. Ratsherr Menno Aden trat bereits im Juni aus, wollte zum Essener Bürgerbündnis wechseln. Das versagte ihm dann aber den bereits abgemachten Übertritt. Den damaligen Sprecher Marco Trauten hatte der AfD-Landesverband nach einem missglückten Vergleich zur Juden-Verfolgung durch die Nazis noch vor der Wahl seiner Parteiämter enthoben. Er soll zudem Gelder der AfD veruntreut haben.

Jochen Backes wirft Keuter nach dessen Aufstieg öffentlich einen „Schulterschluss mit Rechtsextremisten“ vor. Durch seine „Reden vor einem jeweils stärker radikalisierten Publikum“ habe er „die klare Grenze zum Rechtsextremismus, die für eine konservative und bürgerliche AfD wesentlich ist, verwischt.“

Der Angeprangerte selbst sagt: „Ich bedauere den Austritt von Herrn Backes“. Gleichwohl fühle sich der neue Vorstand von ihm „ungerecht behandelt“. Seine Auftritte vor Wutbürgern und Neonazis verteidigt Keuter so: „Ich habe dort als Privatperson – nicht als AfD-Funktionär – einen Fachvortrag über Altersarmut gehalten.“ Fremdenfeindliche Parolen grölende Teilnehmer habe er in Duisburg „selbstverständlich zurechtgewiesen“. Von Rechtsaußen will sich der 37-jährige Unternehmensberater aber partout nicht distanzieren: „Von diesem Abgrenzungswahn halte ich nichts. Wer sich abgrenzt, rechtfertigt sich schon.“ Er tut es dann aber auf Anfrage doch und versichert: „Mir liegt nichts ferner, als fremdenfeindliches Gedankengut zu verbreiten.“ Leider verwechselten viele aber „Patriotismus und Nationalismus“.

Lutz Bachmann bei Demos in Wuppertal kennengelernt

Stefan Keuter, neuer Chef der AfD Essen, am 19. Januar auf der Pegida-Bühne mit dem Emmericher  Pfarrer Paul Spätling (links). Dem Geistlichen entzog die katholische Kirche nach seinem Auftritt in Duisburg die Predigtbefugnis
Stefan Keuter, neuer Chef der AfD Essen, am 19. Januar auf der Pegida-Bühne mit dem Emmericher Pfarrer Paul Spätling (links). Dem Geistlichen entzog die katholische Kirche nach seinem Auftritt in Duisburg die Predigtbefugnis © imago

Aber dem neuen Sprecher des AfD-Stadtverbandes wirft Jochen Backes obendrein eine „Nähe zum mehrfach vorbestraften Lutz Bachmann“ vor – zum Initiator der islamkritischen Pegida-Bewegung also. Im Januar war dieser als deren Vorsitzender kurzzeitig zurückgetreten, als bekannt geworden war, dass er Ausländer als „Viehzeug“ und „Dreckspack“ beschimpft haben soll. Ihn traf Stefan Keuter Mitte März in Wuppertal, als dort Hooligans, Neonazis, Pegida-Aktivisten und Salafisten demonstrierten. Warum der AfD-Mann dort mitmischte? „Ich sehe es als katholisch Erzogener als meine Pflicht an, Flagge zu zeigen, wenn Salafisten vor einer Synagoge demonstrieren.“ Er habe sich „gefreut, Lutz Bachmann kennenzulernen.“

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Jochen Backes kann das nicht tolerieren: „So baut man keine seriöse Partei auf“. Mit ihm wollen vier weitere ehemalige Vorstandsmitglieder nicht mit Keuter zusammenarbeiten, darunter auch der ehemalige AfD-Chef Christoph Wilkes: Er hatte die Abstimmung gegen Keuter verloren. Im neuen Vorstand werden die Ehemaligen unter anderem durch zwei Ex-Republikaner ersetzt. Der Offerte von Pro NRW erteilt ihr Sprecher Stefan Keuter dennoch eine Absage: „Eine Zusammenarbeit mit extremistischen Parteien kommt für die AfD nicht ansatzweise in Frage.“ Und der bald parteilose Ratsherr Backes? Das langjährige CDU-Mitglied hat „keinen Plan B“. In den Rat will er weiter seine Wirtschaftskompetenz einbringen und nicht alle Verbindungen zur AfD kappen, sondern „Kontakt halten zu den Wertkonservativen und Liberalen dort“.