Essen. . In der Nacht von Samstag auf Sonntag wird die Zeit umgestellt. Viel Arbeit für ein Trio aus Rüttenscheid, das aus alten Bahnhofsuhren eine Geschäftsidee entwickelte

Die Situation ist wohl jedem vertraut: Fahrgäste eilen zu den Gleisen, Bahnhofsdurchsagen dringen durch das Gemurmel und in fünf Minuten fährt der Zug. Dabei hat der Reisende fest den Blick auf die wuchtige Bahnhofsuhr gerichtet, die, könnte sie reden, wohl viel von diesem energetischen Ort des Kommens und Gehens zu erzählen hätte. Für die Studenten Jonathan Overhoff und Georg Moser sowie Automechaniker Bernd Holarek besitzen die Zeitmesser zweifellos eine spröde Schönheit.

Als 2012 einmal ein Bahnhof in Nordrhein-Westfalen modernisiert und eine der charakteristischen Uhren ausrangiert wurde, brachte dies Moser auf eine Idee: Er schleppte das gute Stück in seine Wohngemeinschaft an der Rüttenscheider Straße. „Eigentlich wollten wir das Teil nur wieder zum Laufen bringen und als Deko verwenden“, erinnert sich der 28-Jährige. „Doch dann dämmerte uns, dass auch andere sich dafür begeistern könnten.“ Das Unternehmen „Vierkant Design“ wurde geboren.

Heimisches Wohnzimmer wird eine Werkstatt

Da die Jungs ihre Leidenschaft fürs Tüfteln teilen, setzten sie die Idee kurzerhand in die Tat um und verwandelten das heimische Wohnzimmer in eine Werkstatt für hausgemachtes Industriedesign. Fräsmaschine, Schlagbohrer, Lötkolben, eine massive Werkbank direkt neben der Sitzgruppe, überall liegt schweres Gerät. Blickfang im Raum ist eine Uhr, die auf einem Stahlsockel montiert wurde. Mit einem Sandstrahler trugen die drei den alten Lack ab und ließen die Bahnhofsuhr dann in neuem Glanz erstrahlen. Entstanden ist ein schnörkellos elegantes Kunstobjekt, das auf den ersten Blick wie ein Stehtisch anmutet - die Jungunternehmer selbst bezeichnen das 80 Kilo schwere Stück trefflich als „Blockuhr“. Kostenpunkt: 9450 Euro.

„Der technische Aufwand, ein altes Uhrwerk wieder zum Laufen zu bringen, ist nicht zu unterschätzen“, betont Bernd Holarek. Um an die Basisbauteile für ihre Objekte zu gelangen, pflegen die Männer gute Kontakte zum Straßenverkehrsamt. Dort unterstützt man die Idee, Dinge künstlerisch recyceln zu lassen, die sonst auf dem Müll landen würden. Ein altes Verkehrsschild haben sie etwa einmal zu einem Klapptisch verarbeitet. „Jedes Stück von uns ist ein Unikat mit Geschichte“ sagt Jonathan Overhoff. „Das ist Teil des Geschäftskonzepts.“ So sind auf den Uhren stets der ehemalige Bahnhof und das Gleis eingraviert, wo sie früher einmal gehangen haben.

Objekten mit besondere Langlebigkeit

Die Geschichte der Uhr soll fortgeschrieben werden und so versprechen die Macher bei ihren Objekten besondere Langlebigkeit. „Wir sind alle Ingenieure und legen Wert darauf, ein ansprechendes Design mit Funktionalität zu verbinden“, versichert Georg Moser. „An unseren Produkten soll auch die nächste Generation noch Freude haben.“ Ihr Kundenkreis ist vor allem gewerblich geprägt, doch auch Privatleute interessieren sich inzwischen für die Produktpalette des jungen Start-ups, das neben den Designobjekten noch andere Projekte verfolgt.

So haben die Macher derweil schon wieder neue Flausen im Kopf: Elektronische Fallblattanzeigen, wie man sie von Flughäfen kennt, sollen als alternativer Terminkalender oder als Menükarte schon bald Arztpraxen, Restaurants und andere Einrichtungen zieren. Programmiert werden sie über einen externen Computer.

Und weil alle Projekte bislang recht erfolgreich angelaufen sind, müssen sich die drei nun nach einer größeren Werkstatt umschauen. „Wenn die Menschen von uns hören, finden sie es erstmal charmant, dass wir hier gemeinsam wohnen und arbeiten“ sagt Georg Moser und wirft einen Blick auf den Winkelschleifer neben der Spüle. „Aber wir möchten von diesem Image allmählich wegkommen, da wir auch Kunden im Luxussegment mit unseren Sachen begeistern wollen. Wir haben noch viel vor.“