Essen. . Ohne Zuschüsse kann die Stadt den Bau weiterer Straßenbahn-Trassen wie die durch den nördlichen Krupp-Gürtel nicht stemmen. Aber bereits 2019 laufen die GVFG-Fördermittel aus

Die Uhr tickt. Aber für Essen scheint die Zeit schon abgelaufen zu sein. Während andere Städte noch in den nächsten drei Jahren unter Hochdruck wichtige Nahverkehrsprojekte realisieren wollen, um quasi in allerletzter Minute an die Fördertöpfe des Landes und des Bundes heranzukommen, wäre ein solcher Wettlauf in der Ruhr-Metropole wohl zum Scheitern verurteilt. Denn: Im Jahre 2019 laufen die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) aus, nachdem ein 85- prozentiger Zuschuss für neue Straßenbahn- und U-Bahn-Strecken möglich ist.

Bis dahin müsste eine Neubautrasse fertig und abgerechnet sein. Das hat Essen zuletzt vor wenigen Monaten mit der neuen 14 Millionen Euro teuren Streckenführung der Linie 109 durch den Berthold-Beitz-Boulevard in die Frohnhauser Straße geschafft. Doch die Pläne für die Strecke der Straßenbahn-Linie 101 durch den nördlichen Krupp-Gürtel – möglicherweise auch mit Anschluss an das Stadion Essen – sind längst nicht entscheidungsreif. Für die Zeit nach 2019 ist aber kein neues Förderprogramm aufgestellt worden. Und damit ist die Finanzierung völlig unklar. Denn Investitionen wie diese, die in einem zweistelligen Millionenbereich liegen, kann Essen nicht alleine stemmen.

Gedankenspiele zur Linie 101

Dabei hatte Beigeordneter Hans-Jürgen Best (SPD) noch in der letzten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Stadtplanung als Vorsitzender des Lenkungskreises ÖPNV vorgetragen, wie es mit der Linie 101 möglicherweise weitergehen könnte. Hier ging es aber nicht ums Geld, sondern um die Trassenführung.

Zur bisherigen Variante, die 101 von der Altendorfer Straße über Berthold-Beitz-Boulevard und Zollstraße zur Haus-Berge-Straße zu planen, um den gebeutelten Verkehrsknoten Altendorfer Straße/Helenenstraße zu entlasten, gibt es jetzt auch Gedankenspiele aus der Politik, die 101 weiter nördlich auf dem Berthold-Beitz-Boulevard bis zur Bottroper Straße und damit in Nähe des Ikea-Neubaus zu führen – und östlich der Bottroper Straße ein altes Gütergleis zu nutzen, um bis zum Fußballstadion zu kommen.

Ob dies überhaupt möglich ist, weiß noch keiner. „Da hängen hundert Fragen dran“, betont Planungsdezernent Best. Auch die, ob ein DB-Gleis mit einer anderen Spurbreite überhaupt für den Essener ÖPNV genutzt werden kann – und welche Kosten damit verbunden sein werden. Best: „Wenn sich nicht schon in einem ersten Schritt K.o.-Argumente dagegen ergeben, werden wir wohl ein halbes Jahr für die Prüfung brauchen.“ Und wann könnten die Bauarbeiten starten? „Das ist die schwierigste Frage“, sagt Best.

Bundeskassen voller als Kommunalkassen

Auch weil nicht absehbar ist, welcher Geldhahn in Berlin wieder aufgedreht wird. „Keiner kennt die Anschlussfinanzierung. Aber es muss etwas nach 2019 geben. Die Bundeskassen sind voller als die der Kommunen“, so Best. Ohne Zuschüsse sind jedenfalls neue Strecken nicht möglich.

Doch an spätere Fördermittel in ähnlicher Höhe aus Berlin glaubt der grüne Verkehrsexperte Rolf Fliß solange nicht, bis er es schwarz auf weiß sieht. „Die GroKo in Berlin muss sich die Frage gefallen lassen, wie man solche sinnvollen Verkehrsprojekte künftig gemeinsam auf den Weg bringen kann.“ Solange es keine klaren Antworten gibt, sieht er die 101-Trasse durch den nördlichen Krupp-Gürtel „nur als Zukunftsmusik“.

Einen Hoffnungsschimmer hat Fliß aber doch. Sein Vorschlag: Die Stadt sollte sich beeilen, die Bahnhofstangente für die 101 von der Frohnhauser Straße über die Hachestraße zum Hauptbahnhof zu realisieren. Dann könnten noch Zuschüsse fließen. Fliß: „Es lohnt sich, sich für diese Linie zu engagieren.“

Frage der Prioritäten

Dezernent Best stellt allerdings auch die Frage, welche Prioritäten für die Zukunft gesetzt werden müssen und verweist auf die Sanierung der U-Bahnstrecken, für die bis zum Jahre 2025 noch 400 Millionen Euro berappt werden müssen. Für ihn steht jedenfalls eines außer Frage: „Der U-Bahn-Betrieb in Essen muss aufrecht erhalten bleiben.“