Essen. . Der Tag danach: Der Ratsbürgerentscheid in Oberhausen gegen die Verlängerung der Linie 105 löste hier Enttäuschung aus – Die Suche nach Alternativen
Der Tag danach: Ernüchterung, Enttäuschung – und natürlich die eigentlich selbstverständliche Erklärung, den Bürgerwillen in Oberhausen „zu akzeptieren“. Was auch sonst? Die Stellungnahmen aus dem Essener Rathaus ähneln sich. So sehr hatte man hier quer durch die Bank auf die Verlängerung der Straßenbahn-Linie 105 von Unterfrintrop zum Centro und zum Hauptbahnhof Oberhausen sowie nach Sterkrade gehofft. Doch beim Ratsbürgerentscheid in Oberhausen wurde der 3,3 Kilometer lange Lückenschluss, der rund 80 Millionen Euro gekostet hätte, mit einer Mehrheit von 57 Prozent abgelehnt. Jetzt wird in Essen die Forderung nach einer anderen Lösung laut – aber wie soll die aussehen?
Manfred Tepperis, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, erklärte, dass die beiden Verkehrsgesellschaften Evag und Stoag sich möglichst schnell zusammen setzen sollen, um nach Alternativen zu suchen, wie eine bessere ÖPNV-Anbindung zwischen den beiden Innenstädten geknüpft werden kann. Das würde kurz- und mittelfristig wohl nur über die Buslinie 185 gehen. „Diese Linie muss optimiert werden“, so Tepperis. Heißt: ein kürzerer Takt, ein verbesserter Linienverlauf. Der SPD-Verkehrsexperte weiß aber auch, dass es keinen gleichwertigen Ersatz für die 105 gibt. „Dieser Sonntag war kein guter Tag für den ÖPNV.“
Ratsbürgerentscheid dürfe „nicht das letzte Wort“ sein
Auch CDU-Fraktionschef Thomas Kufen fordert Alternativen. Der Ratsbürgerentscheid dürfe „nicht das letzte Wort“ sein: „Wir müssen jetzt eine optimierte und kostengünstige Lösung suchen, die keine Zweifel an den Vorteilen lässt.“ Konkreter wird er nicht. Nur soviel: „Bürgerentscheide und Ratsbürgerentscheide dürfen nicht grundsätzlich wichtige Investitionen in unserer Region kippen.“
Der FDP-Parteivorsitzende Ralf Witzel will das alles nicht so hoch hängen. Der ÖPNV im Ruhrgebiet sei und bleibe doch „eine preisgünstige und attraktive Verkehrsalternative.“ Die Bürger in Oberhausen hätten verstanden, „dass nicht immer alles Wünschenswerte auch finanzierbar ist.“ Nötig sei nun eine Strategiedebatte, wo beim ÖPNV in Zukunft die Schwerpunkte gesetzt werden – und wie das finanziert wird.
Jetzt keine Chance mehr
Für eine wie auch immer geartete Verlängerung der Linie 105 gibt es jetzt keine Chance mehr. Auch nicht für eine um 30 Millionen Euro abgespeckte Variante, die die CDU-Oberhausen mal ins Spiel gebracht hatte. Denn der Ratsbürgerentscheid gilt zwei Jahre lang. Danach ist ein Lückenschluss nicht mehr möglich, weil die Fördermittel von Bund und Land aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 2018 auslaufen. Ohne die 90-Prozent-Zuschüsse sind aber so große Nahverkehrsprojekte von einer Kommune nicht zu stemmen. Mit der Bürgerentscheidung am Sonntag ist die Straßenbahnverbindung nach Oberhausen „beerdigt“, sagte der Oberhausener Rathaus-Sprecher Rainer Suhr. „Das Projekt ist mausetot.“
Rolf Fliß, Verkehrsexperte der Grünen in Essen, kann es immer noch nicht fassen. „Ich will nicht überheblich sein. Aber das war eine Provinzposse“, sagte er zum Ratsbürgerentscheid. Bei allen möglichen Umfragen fordern Fahrgäste „barrierefreie Direktverbindungen“, um nicht umsteigen und warten zu müssen. Und hier hätten die Oberhausener „einen großen Guss aus der Kanne bekommen. Aber man wollte das Geld nicht haben.“ 66 Millionen Euro hatten Land und Bund für ein Nahverkehrsprojekt bereit gestellt, „das der Daseinsvorsorge dienen sollte“, betonte Fliß. Einen Ausweg sieht er momentan nicht. „Vergeigt ist vergeigt.“
Nach vorne schauen
Von einer verpassten Chance spricht auch die Fraktion „Die Linke“. Es müsse, so Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke, darüber gesprochen werden, warum sich die Oberhausener gegen den Ausbau der Linie 105 entschieden hätten. Die angeführten finanziellen Argumente hält sie für unbegründet, da Bund und Land den größten Teil der Kosten übernommen hätten. Giesecke: „Trotz der Niederlage für den öffentlichen Nahverkehr muss weiter nach vorn geschaut werden und der städteübergreifende Ausbau des ÖPNV im Ruhrgebiet forciert werden. Kirchturmdenken ist hier fehl am Platz.“