Essen. Die Stadt Essen wird keine Stellplätze für Carsharing-Mobile ausweisen. Die Branche ist nicht überrascht. Essen sei alles andere als fortschrittlich.

Die Mehrheitsentscheidung des städtischen Planungsausschusses, im öffentlichen Straßenraum keine Stellplätze für Carsharing-Mobile auszuweisen, trifft in Branchenkreisen erwartungsgemäß auf Unverständnis. „So kommen wir in Essen nicht voran“, klagt Matthias Kall vom Anbieter Stadtmobil, nach eigenen Angaben der Marktführer unter den Carsharing-Unternehmen in Essen.

Fünf Anbieter sind in der Stadt am Markt. Laut Matthias Kall stellt Stadtmobil die Hälfte der stadtweit rund 100 Fahrzeuge. „Für eine Großstadt mit mehr als 500 000 Einwohnern sei diese Zahl „einfach nur peinlich“. Andere Städte vergleichbarer Größe seien sehr viel weiter. Das Votum des Planungsausschuss kommt für Kall nicht einmal überraschend. Sein Eindruck: In Sachen fortschrittlicher Mobilität stehen sie im Ruhrgebiet einmal mehr auf der Bremse.

Gesetzestext streng ausgelegt

Im Fachausschuss des Stadtrates hatten sich die Vertreter von SPD, CDU und EBB von der Sorge treiben lassen, dass der Parkdruck in dicht besiedelten Stadtteilen weiter zunimmt, sollten Stellplätze für Carsharing-Mobile reserviert werden. Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), teilt diese Einschätzung. Krane ist überzeugt, die öffentliche Akzeptanz der Carsharing-Idee könnte leiden, sollten die Fahrzeuge anderen Autobesitzern die Parkplätze wegnehmen. Heute schon sorgten ausgewiesene Stellplätze in Rüttenscheid für Unmut.

Der IGR-Funktionär spielt auf das Carsharing-Projekt „RUHRAUTOe“ des Essener Professors Ferdinand Dudenhöfer zur Förderung der Elektro-Mobilität an. Auf Initiative des Wissenschaftlers hat die Stadt an ausgesuchten Stellen im Stadtgebiet Stellplätze mit Ladesäulen eingerichtet – nicht exklusiv für die Dudenhöfer-Fahrzeuge, wie man meinen könnte, sondern grundsätzlich für alle Elektro-Fahrzeuge. Dass dort in der Regel des Professors Carsharing-Mobile stehen, spielt für die städtische Verkehrsbehörde keine Rolle. Es gehe allein um den Fahrzeugtyp, in diesem Fall um Elektro-Fahrzeuge, und nicht um das Geschäftsmodell dahinter.

Stadt beruft sich auf das Straßenverkehrsgesetz

Was das angeht, ist die Stadt bei der Ausweisung von Stellplätzen mehr als zurückhaltend; auf öffentlich gewidmeten Flächen gibt es in Essen nicht einen einzigen. Die Stadt beruft sich dabei auf das Straßenverkehrsgesetz, konkret auf das in Paragraph 6 formulierte Privilegierungsverbot. Ausnahmen von der Regel gebe es für Ärzte, Taxen, nicht aber für kommerzielle Carsharing-Anbieter. Unter diesen genießt Essen den Ruf, den Gesetzestext streng auszulegen. Getreu dem Motto: Was nicht ausdrücklich erlaubt ist, gilt als verboten.

Ihrer Linie bleibt die Stadt treu. Bei jenen 36 Standorten, die vom Planungsausschuss verworfen wurden, handelte es sich um Flächen, die nicht öffentlich gewidmet sind, zumeist um Baulücken.

Carsharing-Mobile konkurrieren mit Privatwagen um Parkraum

Carsharing-Unternehmen bleibt nun weiterhin nichts anderes übrig, als feste Stellplätze in Parkhäusern oder auf Privatgelände anzumieten. Es sei denn, sie bieten ein System an, wonach ihre Fahrzeuge irgendwo im Straßenraum abgestellt werden. Eben dort, wo gerade Platz ist. Wer einen solchen Wagen bucht, erfährt durch einen Hinweis auf sein Mobiltelefon, wo der Wagen dann steht.

Ein solches Modell bevorzugt die Mehrheit im städtischen Planungsausausschuss. Auch in Essen wird es bereits praktiziert. Der Nachteil: Anbieter müssen mehr Fahrzeuge bereit stellen, damit statistisch jeder Kunde auch eines in seiner Nähe findet und der Weg zum nächsten Wagen nicht zu weit wird. Und: Mehr als alle anderen konkurrieren diese Carsharing-Mobile mit Privatwagen um knappen Parkraum. Wer aber nutzt ein solches Mobil, wenn er nicht sicher sein kann, einen freien Parkplatz zu finden?