Essen-Rüttenscheid. . Angebote wie Food- und Car-Sharing gewinnen auch in Essen zunehmend an Bedeutung. Viele Nutzer wollen ein Zeichen gegen maßlosen Konsum setzen.
Selten wurde mehr geteilt, verschenkt oder verliehen: Vor allem die sogenannte Generation Y, jene Menschen, die heute im Alter zwischen 20 und 40 sind, nutzen entsprechende Internet-Plattformen. Seiten wie das Übernachtungsportal Air B’n’B oder Nachhaltigkeit fördernde Gruppen wie „Foodsharing“ gewinnen auch in Essen an Bedeutung. Und auch bei der Fortbewegung lässt sich der Trend bestätigen, wie Ferdinand Dudenhöffer, Vater des Projekts „Ruhrauto E“ beobachtet hat: „Das Wachstum bei Carsharing kommt überwiegend durch junge Menschen zustande.“
Was treibt diejenigen an, die sogenannte Sharing-, zu deutsch Teilen, Angebote nutzen? Für Kai Jenkner, der an der Klarastraße in Essen-Rüttenscheid die „Drucker-Tankstelle“ betreibt, liegen die Vorteile von „Foodsharing Essen“ auf der Hand. „Hauptsache, es wird kein Essen weggeworfen. Das ist eine große Sünde unserer Gesellschaft“, sagt er.
Seit knapp einem Monat ist sein Geschäft neben der Uni Duisburg-Essen „Fair-Teiler“. Wer gut erhaltene Lebensmittel übrig hat, kann sie dort abgeben und anderen zur Verfügung stellen. „Unser Konzept fußt ohnehin auf Nachhaltigkeit. Wir befüllen Druckerpatronen lieber, als neue zu verkaufen. Deswegen haben wir auch direkt zugesagt mitzumachen“, sagt Jenkner.
Viele verschenken ihre Lebensmittel direkt vor der eigenen Haustür
Rund 250 Nutzer, so seine Schätzung, sind bei der Facebook-Gruppe „Foodsharing Essen“ aktiv. Viele verschenken ihre Lebensmittel direkt vor der eigenen Haustür. Mit den „Fair-Teiler“-Stellen sollen zudem feste Anlaufpunkte geschaffen werden. „Wir veröffentlichen über unsere Facebookseite, was bei uns zu haben ist“, sagt Jenkner, der für das Angebot einen Kühlschrank anschaffte.
„Einige Menschen sind immer noch skeptisch. Eine Kundin, der ich an ein frisches Bauernbrot mitgab, war zunächst verdutzt. Als ich ihr das Konzept erklärt habe, war sie aber dankbar. Etwas einfach so geschenkt zu bekommen, macht viele Menschen zunächst skeptisch.“
Dabei prangert Jenkner auch die Lebensmittelindustrie an. „Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln werden oft nur in großen Säcken angeboten. Will man sie einzeln kaufen, ist das oft unwirtschaftlich. Die Folge aber ist, dass immer mehr weggeworfen wird. Foodsharing soll auch helfen, wieder bewusster zu konsumieren“, so Jenkner. Noch stehe das Projekt in Essen am Anfang, sei aber ebenso wie die Gemeinschaftsgärten auf dem Gelände der ehemaligen Pädagogischen Hochschule ein Schritt in die richtige Richtung.
Wer selbst Lebensmittel abzugeben hat: Die „Drucker-Tankstelle“ ist montags bis freitags von 10 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Infos: 564 1064.
Julia vermietet seit Januar ein Gästezimmer in Messenähe über Air B’n’B
„Man holt sich die Welt nach Hause“ – so beschreibt Julia, 29 Jahre alt, ihre Erfahrungen mit dem Online-Übernachtungsportal Air B’n’B. Rund 50 Angebote finden sich in Essen, ein Großteil davon in der Innenstadt und Rüttenscheid. Da die Praxis, private Wohnungen oder Zimmer an Fremde gegen Geld unterzuvermieten, nicht ganz unumstritten ist, möchte Julia nicht fotografiert werden oder ihren vollen Namen in der Zeitung lesen. Aber sie möchte eine Lanze für die Idee aus den USA brechen.
Seit Januar bietet sie gemeinsam mit ihrem Freund ein Gästezimmer in ihrer Rüttenscheider Wohnung in der Nähe zur Messe an. „Wir waren sehr überrascht, wie viele Anfragen direkt in der ersten Woche kamen“, sagt sie. 45 Euro kostet die Nacht im Zimmer, zwei Übernachtungen sind der Mindestaufenthalt. Dafür gibt sich Julia viel Mühe, eine gute Gastgeberin zu sein – legt etwa eigene Pläne eingezeichneten Lieblingscafés in Rüttenscheid aus oder gibt Tipps, wo man bis Mitternacht oder vegan einkaufen kann.
Zur Spielemesse war ein junger Mann aus Taiwan da, auch Übernachtungsgäste aus Guatemala, Irland, England und Litauen beherbergte Julia. „Schön ist die Geschichte von einem Amerikaner, der mit Nachnamen Stauder heißt. Er ist entfernt mit den hiesigen Stauders verwandt und kam stolz mit einem Stapel Bierdeckel von der Brauereibesichtigung zurück“, erinnert sie sich.
Den Gästen die eigene Stadt zeigen
Angst, Fremde in ihre vier Wände zu lassen, hat die junge Frau nicht: „Das System ist ja sehr transparent und schon vor der Buchung kommt man mit den Menschen ins Gespräch. Außerdem muss man ja nicht jede Anfrage annehmen.“ Das Geld, das sie durch die Untervermietung einnimmt, wandert in die Reisekasse, „der nächste Trip geht nach Antwerpen“, verrät sie.
Kritisch sieht auch sie Air B’n’B dann, wenn Menschen die Plattform professionell gewerblich nutzen und in dicht besiedelten Städten dafür mehrere Wohnungen anmieten. „Das ist ja nicht der Sinn“, sagt Julia, „vielmehr geht es darum, den Menschen seine Stadt zu zeigen und Kontakte in alle Welt zu knüpfen.“
„Car-Sharing wächst durch junge Menschen weiter“
Der Besitz der eigenen vier Räder spiele gerade im Ruhrgebiet noch eine große Rolle – dennoch prognostiziert Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Erfinder des RuhrautoE, ein Wachstum der Carsharing-Angebote, auch in Essen. Dabei können Kunden die Autos – wie die Elektrofahrzeuge von RuhrautoE, für einen gewissen Zeitraum mieten. Ein Großteil der Kunden nutzt zusätzlich den öffentlichen Nahverkehr.
„Das Wachstum bei Car-Sharing kommt überwiegend durch junge Menschen zustande. Da ist man deutlich experimentierfreudiger“, hat Dudenhöffer beobachtet. Das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren.
Neben RuhrautoE gibt es in Essen noch weitere Angebote, darunter Greenwheels und Stadtmobil Rhein-Ruhr, die im gesamten Stadtgebiet Stationen haben – und dieses Netz weiter ausbauen. Stadtmobil eröffnete vor Kurzem eine neue Station an der Weserstraße in Bergerhausen und auch RuhrautoE expandiert weiter. Zuletzt wurden Stationen an Studentenwohnheimen in Bochum und Essen eröffnet. „Wenn wir es schaffen, die Auslastung zu steigern, können wir an der Preisschraube drehen. Ich denke, das wird uns einen weiteren Schub geben“, so Dudenhöffer.
Auch Abendkleider und Taschen gibt es leihweise
Die Idee, Abendkleider mit den passenden Handtaschen zu verleihen, lag für Loubna Kocer auf der Hand: „Viele meiner Freundinnen sind oft zu Hochzeiten und anderen festlichen Anlässen eingeladen. Da kann man natürlich nicht immer das gleiche Kleid anziehen“, erklärt die 23-Jährige.
Anfang Dezember eröffnete die Kosmetikerin und Nageldesignerin ihren kleinen Kosmetik-Salon Rue Beauté an der Rüttenscheider Straße 209. Etwa 13 Kleider in den Konfektionsgrößen 34 bis 38 stehen dort aktuell zur Auswahl, teilweise Designer-Stücke. „Ich möchte erstmal sehen, wie der Kleiderverleih ankommt, aber es ist geplant, das Angebot noch weiter aufzustocken“, sagt Kocer.
Zwischen 30 und 80 Euro kostet die leihweise Abendgarderobe. Wer möchte, bekommt auch noch das passende Make-up und im benachbarten Friseursalon, mit dem Kocer kooperiert, die entsprechende Hochsteck-Frisur dazu.
Wie für sie selbst das perfekte Abendoutfit aussieht? Loubna Kocer: „Das Kleid sollte auf jeden Fall klassisch elegant sein und darf nicht aussehen, als sei es von der Stange. Dazu kann man noch den passenden Schmuck und eine Handtasche kombinieren.“