Essen. . In Kiel betreibt Thyssen-Krupp an einer feinen Adresse ein Hotel im Yacht-Club. Das bringt Verluste. Jetzt plant der Essener Konzern den Ausstieg.
Zu Lebzeiten von Berthold Beitz war noch von einer „Familienzusammenführung“ die Rede. Krupp und Kiel – das gehöre unzweifelhaft zusammen. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der letzte persönliche Inhaber der Firma, war gerne in der Stadt, ebenso wie der langjährige Krupp-Bevollmächtigte Beitz. Eine ganz besondere Verbindung hatten die Krupps – unter ihnen viele leidenschaftliche Segler – zum traditionsreichen Kieler Yacht Club (KYC).
Als sich das Clubhaus vor einigen Jahren in einem beklagenswerten Zustand befand, wurde Beitz aktiv. Im Sommer 2007 stieg der Essener Thyssen-Krupp-Konzern ein und übernahm die Immobilie, die sich direkt an der Kieler Förde befindet. Es folgte eine aufwändige und kostspielige Sanierung. Seither betreibt Thyssen-Krupp ein luxuriöses Hotel im hohen Norden.
Doch damit soll bald Schluss sein. „Thyssen-Krupp plant, die im Juli 2007 erworbene Immobilie ,Kieler Yacht-Club’ einschließlich des dazugehörigen Grundstückes zu veräußern“, teilte das Unternehmen auf Anfrage dieser Zeitung mit. Das Hotel wird derzeit vom internen Dienstleister namens Thyssen-Krupp DeliCate GmbH geführt. Teile des Club-Hauses hat der Konzern an den feinen Kieler Segler-Club vermietet. Doch unter dem Strich fallen für Thyssen-Krupp Verluste an. Von einer mittleren sechsstelligen Summe pro Jahr ist die Rede. Das Unternehmen will sich dazu nicht äußern.
Als „Marine-Regattaverein“ von Offizieren gegründet
Die Geschichte des Kieler Clubs reicht weit zurück. 1887 wurde er als „Marine-Regattaverein“ von Offizieren gegründet. Vier Jahre später genehmigte Kaiser Wilhelm II. die Umbenennung zum „Kaiserlichen Yacht Club“. Um die Jahrhundertwende mussten sich die Mitglieder nach neuen Räumlichkeiten umsehen, die Marine selbst brauchte mehr Platz. Der Essener Industrielle Friedrich Krupp bot dem KYC an, auf seinem Grundstück am Kieler Hindenburgufer ein Clubhaus zu bauen. Im Jahr 1900 konnte der KYC einziehen.
Auch interessant
Heute zählt der Yacht-Club zu den feinen Adressen in Kiel. Mit 19 Doppelzimmern und zwei Suiten bieten das Hotel mit Blick auf die Förde ein ansprechendes Ambiente. Auch die Veranstaltungsräume wie der „Kaisersaal“ und der „Kommodore Saal“ wurden nach der Übernahme von Thyssen-Krupp großzügig renoviert. Sie zählen zu den traditionsreichsten Banketträumen in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt.
Traditionspflege hat ihren Preis
Die Küche genügt auch heute hohen Ansprüchen. Dieser Tage laufen die Vorbereitungen für das Osterbuffet. Es soll unter anderem gratiniertes Steinbeißerfilet mit hausgemachter Bärlauch-Papardelle und Aprikosenschaum geben, zur Vorspeise Involtini von der hausgebeizten Lachsforelle mit Brunnenkressesalat.
Die laufenden Kosten für Hotel und feine Küche seien das Problem, heißt es im Umfeld des Thyssen-Krupp-Konzerns. Zudem stellt sich die Frage, ob ein Investor bereit ist, das Haus zu übernehmen und auch künftig die Traditionspflege im Kruppschen Sinne zu betreiben.
Berthold Beitz war nicht nur Ehrenbürger von Essen, sondern auch von Kiel. Was er wohl dazu sagen würde, dass sich Thyssen-Krupp nun vom Yacht-Club trennen will?
„Braucht man das wirklich?“
Im Sommer 2007 war Beitz nach Kiel gereist, um zur feierlichen Neueröffnung des Clubs eine Büste von Alfried Krupp zu enthüllen. Der damalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen war mit von der Partie, die Bürgermeisterin der Stadt, Angelika Volquartz, ebenfalls. Alle schwärmten – und Beitz spekulierte über Alfried. „Wie ich ihn kenne, sitzt er da oben und sagt: Das habt ihr gut gemacht.“
Dass Traditionspflege ihren Preis habe, sei zwar richtig, heißt es heute im Essener Thyssen-Krupp-Quartier. Doch im Zuge des von Vorstandschef Heinrich Hiesinger auf den Weg gebrachten Kulturwandels im Unternehmen stelle sich mit Blick auf den Yacht-Club in Kiel einmal mehr die Frage: „Braucht man das wirklich?“ Die Antwort von der Konzernspitze ist ein Nein. Schulungen für Führungskräfte, die gelegentlich in Kiel stattfanden, soll es künftig eben in Essen geben.