Essen. . Zumindest aus Essener Sicht gibt es keine Zweifel an den Plänen zum Ausbau der Linie 105. Nach Ansicht der meisten Befragten ist die bestehende Verbindung zu umständlich und zu langsam.
Wer sich in diesen Tagen am Berliner Platz unter die Leute mischt und nach den Plänen für die Linie 105 fragt, der bekommt immer wieder die gleiche Antwort zu hören: Selbstverständlich sollte die Strecke erweitert werden - unbedingt sogar. Zumindest aus Essener Sicht gibt es offensichtlich keinen Zweifel an den Plänen zum Ausbau. Bei einer Umfrage am vergangenen Wochenende fand sich nicht ein einziger Evag-Fahrgast, der den geplanten Lückenschluss für zu teuer oder gar unnötig hält.
Die meisten Befragten wünschen schon lange eine durchgehende Verbindung in die nördliche Nachbarstadt. Maya Sense aus Dellwig fährt aus Ermangelung an praxistauglichen Alternativen seit Jahr und Tag mit dem Rad zum Centro in Oberhausen. Gute 15 Minuten dauert die Fahrt am Kanal entlang. Mit schwerem Gepäck auf dem Rücken und bei schlechter Witterung wäre eine Straßenbahn aus ihrer Sicht aber die eindeutig bessere Variante. „Ich finde die Pläne gut. Viele Leute müssen wie ich ohne Auto auskommen“, erklärt Sense.
Lästiges Umsteigen
Ähnlich sieht das auch Peter Loskarn aus Borbeck. „So eine Gelegenheit muss man auf jeden Fall nutzen. Die bestehende Bus-Verbindung geht über alle Dörfer - durch ganz Dellwig. Und dann muss man wieder umsteigen. Ich fahre daher lieber mit der S-Bahn.“ Loskarn würde künftig noch häufiger nach Oberhausen reisen. Der Rentner listet auf: Die Gourmet-Meile am Centro, natürlich das Einkaufszentrum selbst, das Gasometer, Sea Life, der Schlosspark und zu guter letzt der Weihnachtsmarkt. „Die Ost-West-Verbindungen im Ruhrgebiet sind meistens sehr gut ausgebaut“, so Loskarn. Auf der Nord-Süd-Achse sei es da deutlich schwieriger.
Auch Heike Hausmann findet, dass hier dringend nachgebessert werden muss. „Da ich kein Auto besitze, fahre ich täglich Bus und Bahn. Ich finde die Pläne daher sehr gut. So könnte ich ganz bequem in Bergerhausen einsteigen und entspannt bis nach Oberhausen durchfahren“, sagt Hausmann. Allerdings will sie auch künftig dem Einkaufszentrum Limbecker Platz die Treue halten. Das Centro ist für sie einfach zu weit weg.
Trotzdem macht man sich im Limbecker Platz bereits so seine Gedanken über eine Direktverbindung. „Oberhausen ist sicherlich unser stärkster Wettbewerber“, betont Center-Manager Oliver Kraft. Schon jetzt bestehe eine erhebliche Wettbewerbssituation, daher gilt es, die Besucher an den Standort zu ziehen und sich im Umfeld zu behaupten. Wie Kraft berichtet, kommt jeder zweite Gast im Limbecker Platz aus einer anderen Stadt. „Man kann von beiden Städten in die jeweils andere fahren“, sagt Kraft optimistisch.
In Schalke-Fanshop glaubt man dagegen nicht an neue Besucher aus Oberhausen, die im Limbecker Platz ihr Geld ausgeben. Verkäufer Justin Behrendt sagt, er würde privat lieber im Centro einkaufen. Die Auswahl sei dort größer, der Fanshop werde gerade ausgebaut. Der gleichen Meinung ist auch Kollegin Nadine Richter. „Vier von zehn Kunden kommen aus anderen Städten. Darunter viele Holländer.“ Justin Behrendt verweist auf Kunden von außerhalb, die seiner Meinung nach häufig mit dem Auto anreisen. Persönlich sieht er einen Ausbau aber positiv: „Ich fahre in der Stadt immer Bahn. Daher wäre ein Ausbau nicht verkehrt.
Vier, fünf Geschäfte weiter, im gemeinsamen Fanshop von Rot-Weiss-Essen und Borussia Dortmund, bringt Verkäufer Matthias Block noch ein weiteres Argument für das konkurrierende Centro vor: „Für die Gäste sind Parkgebühren ein wichtiger Punkt. Hier bezahlt man fürs Parkhaus, im Centro ist es umsonst.“ Bloch kennt die Diskussion um die Linie 105 gut, er selbst wohnt in Frintrop. „Ich habe mir genau so eine Verbindung früher während der Schulzeit immer gewünscht. Die Anbindung ist dort ziemlich schwierig.“
Marcus Lamprecht, im Asta der Universität Duisburg-Essen für den Bereich Mobilität zuständig, glaubt, dass Schüler und Studenten von einem Ausbau der Strecke nur profitieren können. Nach Meinung von Lamprecht ist eine durchgehende Verbindung ein wichtiger Standortfaktor für seine Hochschule. Auch wenn die Haushaltslage schwierig sei, würden die Kosten durch den hohen Nutzen wett gemacht. „Das Straßenbahnnetz in Essen ist schwierig genug. Die Bahnen verkehren aus unserer Sicht zu selten. Deshalb ist jede Erweiterung zu begrüßen“, sagt der Politik-Student.
Sein Kommilitone Alexander Grossart ist mit dem Nahverkehr ebenfalls nicht ganz glücklich. Mit der Evag fahre er „immer nur ein paar Haltestellen“, so Grossart. „Meistens nutze ich die S-Bahn. Nach Oberhausen fahre ich aber so gut wie nie.“ Auch Niklas Töller ist noch nie mit dem ÖPNV nach Oberhausen gereist. Eine Direktverbindung wäre seiner Meinung nach gut für beide Städte. „Ich finde so etwas immer sinnvoll, weil es auch hilft, den Autoverkehr zu reduzieren.“
Andere Preisstufe
Die Umfrage zeigt, dass viele Essener durchaus mit dem Gedanken spielen, häufiger nach Oberhausen zu fahren. Familie Janßen aus dem Südviertel besitzt dafür bereits das passende Ticket. „Wir fahren fast jeden Tag mit dem ÖPNV. Momentan kommt man aber nicht so einfach nach Oberhausen. Für uns wäre die Verlängerung der 105 ideal, da wir praktisch direkt vor unserer Haustür einsteigen können“, sagt Mutter Andrea. „Und ja, wir würden auch zum Centro fahren.“ Andere Essener müssten für eine Fahrt nach Oberhausen tiefer in die Tasche greifen. An der Stadtgrenze beginnt nämlich bereits eine neue Preisstufe.