Essen. . Auf der Homepage der Stadt geben Essener Auskunft über die Besonderheiten ihres Stadtteils. Zu zehn der 50 Stadtteile liegen schon Interviews vor.
Dass Rüttenscheid so belebt wie beliebt ist und Bredeney als exklusives Pflaster gilt, dürfte allgemein bekannt sein; andere Stadtteile leiden unter ihrem miesen Image – oder ihrer Farblosigkeit. Darum ist es eine hübsche Idee, dass auf der Homepage der Stadt Essen alle 50 Stadtteile mit ihren Besonderheiten vorgestellt werden. Seit einiger Zeit werden diese Porträts überarbeitet und echte Experten kommen zu Wort: die Bewohner des jeweiligen Stadtteils.
Und zwar nicht nur solche, die schon seit langen Jahren hier leben, sondern auch Neubürger wie Heiko Kahlenberg, der wegen des Umzugs der Thyssen-Krupp-Firmenzentrale mit seiner Frau von Düsseldorf nach Essen zog. Sein O-Ton auf www.essen.de: „Uns wurde von allen Seiten geraten, ausschließlich im Essener Süden und bloß nicht im Norden zu suchen. Uns wurde sogar eine imaginäre rote Grenze aufgezeigt, die Essen in den südlichen ,guten’ und in den nördlichen ,schlechten’ Teil trennt.“ Dort solle man vor allem die Stadtteile mit „K“ meiden, wurde dem Ehepaar bedeutet.
Defizite sollen nicht verheimlicht werden
Die Kahlenbergs schlugen alle Warnungen in den Wind und zogen nach Katernberg, wo sie einen schmucken Altbau fanden. Auch der ist nun auf Essens Homepage zu sehen, und zu lesen ist, wie sich die Eheleute mit dem neuen Wohnumfeld anfreundeten – wegen der Nähe zu Zollverein, der Radwege ins Grüne oder des Katernberger Marktes. Am Ende verteilen sie in einer Kurzbewertung Noten in den Kategorien „Mieten“, „Einkaufen“, „Bus und Bahn“, „Freizeitangebote“, „Angebote für Kinder“, „Grün im Stadtteil“ und „Restaurants“. Die Kahlenbergs stellen Katernberg ein prima Zeugnis aus, sagen aber auch ehrlich, dass die Gastronomie noch „ausbaufähig“ sei.
Noch 40 Stadtteile warten auf eine neue Präsentation
Im Zuge der Überarbeitung des städtischen Online-Auftritts nahm man sich auch die Stadtteil-Porträts vor. Sie sollen nicht nur nüchterne Beschreibungen und nützliche Infos liefern, sondern Identität schaffen. Daneben sind sie als ungeschminkte Orientierungshilfe für Neubürger gedacht. Das gelingt auch durch die Interviews mit den Bürgern.
Wer helfen will, einen Stadtteil vorzustellen, mailt an info@essen.de. Die Stadt kann für die Interviews kein Personal abstellen; sie werden meist von Azubis oder Praktikanten geführt. Daher ist offen, wann jemand interviewt wird und wann die fehlenden 40 Stadtteile-Porträts überarbeitet werden. Mehr auf www.essen.de (Leben in Essen, Stadtteile).
Für Stadtsprecher Stefan Schulze ein Plus des neuen Formats: „Da soll nicht verheimlicht werden, wenn es Defizite in einem Stadtteil gibt.“ Die Porträts der 50 Stadtteile seien ja auch als Orientierung für alle gedacht, die erst einen Umzug nach Essen planen. In den Kurzinterviews kommt ein Gemeindepfarrer ebenso zu Wort wie junge Familien, der Schauspieler oder die Kioskbetreiberin, die 90-Jährige und der Student, Alteingesessene wie Zugezogene – aus Düsseldorf oder aus der Türkei.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
Möglichst vielfältige Kronzeugen zu finden und zu befragen, ist eine (zeit-)aufwendige Angelegenheit. Außerdem hat die zuständige Online-Redaktion, die zum Presseamt gehört, für diese Arbeit weder Personal noch Etat. Darum werden Azubis oder Jahrespraktikanten mit der Aufgabe betraut: Sie starten die Befragung mal im eigenen Bekanntenkreis, mal fragen sie bei Heimatvereinen oder Bürgertreffs an. So sind seit dem Start der Aktion im Jahr 2013 zehn der 50 Essener Stadtteile mit einem neuen Auftritt versehen worden (Kray und Leithe sind dabei zusammengefasst). „Die Seiten sind gut besucht, auch weil sie nicht auf Hochglanz getrimmt sind“, weiß Schulze. Neben ehrlicher Kritik ist auch hemmungslose Schwärmerei à la „Fischlaken ist wie ein Urlaub in Italien“ erlaubt. Auch das dürfte für hohe Sympathiewerte sorgen.