Essen. . Im Programm „Weltreise durch Wohnzimmer“ erfahren Menschen ganz persönliche Geschichten aus anderen Ländern. Der Reisepass ist inklusive.

Familiär geht es an diesem Nachmittag im ganz besonderen VHS-Programm zu. Die Teilnehmer ziehen die Schuhe im Flur aus, nehmen Platz auf Sofa und Sesseln. Und schon geht es los, Familie Abdulah stimmt ein traditionelles Lied in kurdischer Sprache an. Die Übersetzung folgt anschließend. „Wir freuen uns, wenn wir den Gästen etwas über unsere eigentlich sehr schöne Heimat erzählen können und ihnen auch Spezialitäten anbieten können“, sagt Delwin. Zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern führt sie die acht Gäste als Reiseleiterin durch das kurzweilige Kulturprogramm, in dem die VHS-Teilnehmer in die Kultur des fernen Kurdistans eintauchen. Und das ganz ohne in den Flieger zu steigen.

Denn in zwei Stunden bietet das Programm „Weltreise durch Wohnzimmer“ ganz gemütlich in der Nachbarschaft die Möglichkeit, ein Land und seine Kultur durch Mitbürger des entsprechenden Herkunftslandes kennenzulernen – in ihrem Wohnzimmer. Die Gastgeber selbst übernehmen die „Reiseleitung“ erzählen über Bräuche und Sitten, von der Geschichte des Landes und den Menschen.

Delwin und ihre Familie haben traditionelle Kleidung an. Sie nehmen ihre Gäste mit mehreren Sinnen mit auf die Reise in die geografisch weit entfernte Heimat.

Teilnehmer hören aufmerksam zu

Vor 13 Jahren ist sie mit ihrem Mann aus Kurdistan, genauer gesagt aus dem irakischen Teil Kurdistans, nach Deutschland gekommen. Für die bessere Vorstellung reicht Delwin Fotos herum. „Hier seht ihr meine Heimatstadt Hawler. Es ist eine wirklich schöne Stadt, man nennt sie auch das zweite Dubai“, berichtet sie. Die acht Teilnehmer hören aufmerksam zu und stellen viele Fragen.

Natürlich dürfen auch typische Speisen und Getränke nicht fehlen. Auf dem Wohnzimmertisch stehen süße Naschereien aus Blätterteig mit Nüssen oder Datteln, dazu serviert Delwin ihren Gästen schwarzen Tee aus ihrem Heimatland. „Die Weltreise finde ich ganz toll. Ich bin früher immer gerne gereist, jetzt geht das gesundheitsbedingt nicht mehr so gut, aber so kann ich viel über Länder erfahren. Ich habe schon an einigen Weltreisen teilgenommen und für die nächsten Monate weitere gebucht“, sagt Marion Treisch aus Bochum und probiert einen Schluck Tee. Delwin schwärmt den Gästen währenddessen von ihrem Heimatland vor, wo sie auch ihren Mann kennengelernt hat. Den wissbegierigen Gästen erklärt sie die Bräuche des kurdischen Neujahrsfestes Newroz, das im März in Kurdistan gefeiert wird.

Politische Konflikte in Kurdistan

Die Gastgeberin erzählt den Teilnehmern aber auch von Schattenseiten, berichtet von aktuellen politischen Konflikten in Kurdistan und kriegerischen Auseinandersetzungen mit der IS. Als Kursleiterin von der VHS begleitet Nina Jung den Nachmittag. Die Deutsch-Dozentin hat in ihren Kursen Teilnehmer angesprochen, um sie als Gastgeber für das Programm zu gewinnen, wie auch Delwin.

Zum Abschluss gibt Tochter Lilan jedem einen Stempel in den Wohnzimmer-Reisepass, den jeder Teilnehmer des Programms erhält. „Ich hätte nie gedacht, dass es bei euch so modern ist in vielen Bereichen“, sagt eine Teilnehmerin zu Delwin. „Man hört sonst immer nur negative Nachrichten aus der Ecke. So bekommt man mal eine ganz andere Sicht, und das finde ich sehr interessant.“