Essen. . Laut einer Studie sind Arbeitnehmer in NRW und vor allem im Ruhrgebiet überdurchschnittlich häufig krank. Experten sehen dennoch keinen Grund zu Alarmismus.

Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen und insbesondere im Ruhrgebiet sind häufiger krankgeschrieben als im Bundesdurchschnitt. Dies geht aus einer Erhebung des BKK Landesverbandes Nordwest hervor. In Essen, wo im vergangenen Jahr 21.098 BKK-Mitglieder registriert waren, meldete sich jeder Arbeitnehmer im Schnitt 19,25 Tage arbeitsunfähig – dies entspricht einer Krankenstandsquote von 5,27 Prozent. Spitzenreiter mit 24,4 Arbeitsunfähigkeitstagen waren die Revierstädte Herne und Gelsenkirchen mit 24,5 beziehungsweise 23,2 Tagen.

Beim Essener Energiekonzern RWE warnt der leitende Arbeitsmediziner Christian Feldhaus dennoch davor, aus der Studie voreilige Schlüsse etwa auf eine vermeintlich schlechtere Lebensqualität im Ruhrgebiet zu ziehen; auch spiegelten die Krankenstände nicht notwenigerweise immer den objektiven Gesundheitszustand der Arbeitnehmer wider: „Die Gesundheit ist nicht immer mit dem Krankenschein gleichzusetzen“, so Feldhaus. „Deshalb ist wohl keine Zahl so schwierig zu bewerten wie der Krankenstand, zumal es in jedem Betrieb Mitarbeiter gibt, die eher einen Krankenschein in Anspruch nehmen und jene, die sich auch im Krankheitsfall zur Arbeit schleppen.“ Konkrete Angaben für Essen über die Krankenstände bei RWE könne er indes nicht machen, da die Zahlen nur für einzelne Abteilungen, nicht aber nach Standorten erhoben würden.

Anonyme Mitarbeiterbefragungen

Doch tut man bei dem Energiemagnaten einiges, um die Mitarbeiter fit und ihre betrieblichen Fehlzeiten somit möglichst gering zu halten. So führt RWE etwa regelmäßig anonyme Arbeitnehmerbefragungen zu gesundheitlichen Beschwerden durch, um auf der Grundlage der Ergebnisse auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnittene Seminare und Leistungen anbieten zu können. Der psychische Aspekt spiele für das Wohlbefinden von Arbeitnehmern dabei eine große Rolle, ist Feldhaus überzeugt: „Ein intaktes Klima am Arbeitsplatz ist die beste Versicherung gegen Krankheit.“

Vergleichsweise hohe Krankenstände gibt es auch unter den Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die seit 2010 mit leichten Schwankungen weitgehend konstant geblieben ist: Für das vergangene Jahr gibt es noch keine Werte; 2013 lag die Quote bei 7,52 Prozent – also deutlich höher als über dem Stadtschnitt.

Hohes Gesundheitsbewusstsein

Bei ThyssenKrupp beträgt der Krankenstand 5,5 Prozent und entspricht damit dem Bundesdurchschnitt – im kaufmännischen Bereich waren es bei dem Stahlkonzern nur 2,9 Prozent. „Natürlich erheben wir aus Datenschutzgründen nicht die Art der Erkrankung“, versichert Sprecherin Heike Neumeister. „Um zu wissen, woran Arbeitnehmer am häufigsten erkranken, ziehen wir Statistiken und Studien der größten Krankenkassen hinzu.“ Demnach deckt sich die Art der Erkrankung bei Thyssen-Krupp-Mitarbeitern weitgehend mit den Beschwerden anderer Arbeitnehmergruppen. Das Thema Mitarbeiter-Gesundheit nehme man indes auch hier ernst: „Zum einen bieten wir eine individuelle Gesundheitsförderung, etwa in Form von Pilateskursen, Rückentraining oder Vorsorgeuntersuchungen an“, so Neumeister. „Zum anderen werden auch konzernweit Schwerpunktthemen in Sachen Gesundheit gesetzt.“

Ulrich Kanders, Geschäftsführer des Essener Unternehmensverbandes (EUV), sieht derweil keinen Grund für Alarmismus: „Im Großen und Ganzen haben sich die Krankenstände in unseren Mitgliedsunternehmen in den vergangenen Jahren moderat entwickelt. In der Metall- und Elektrobranche lag er zuletzt bei 5,34 Prozent, das ist nicht unbedingt besorgniserregend. In den 90er Jahren war das mal ganz anders.“ Insgesamt herrsche in den Betrieben mittlerweile ein hohes Gesundheitsbewusstsein auch im Hinblick auf psychische Erkrankungen. „Unternehmen erkennen immer mehr, dass sich die Investition in betrieblich Gesundheitsvorsorge lohnt. Das ist eine durchaus positive Entwicklung.“