Essen. . Bei der Gewerkschaft und beim Unternehmensverband melden sich derzeit verunsicherte Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Verdi rechnet Ende des Monats mit Problemen, wenn die Lohnabrechnungen kommen.

Seit Anfang des Jahres gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro. In Essen schlägt das Thema bei den Betroffenen derzeit völlig unterschiedlich auf. Die Gewerkschaft Verdi erwartet die größten Probleme erst gegen Ende des Monats. „Denn dann bekommen viele Leute ihr Geld und werden sich wundern“, prognostiziert Lothar Grüll, Geschäftsführer von Verdi in Essen. Grüll, der mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft die Interessen der unterschiedlichsten Berufszweige von der Friseurin bis zum Zusteller vertritt, berichtet zwar über eine hohe Anzahl von Nachfragen, Beschwerden seien bislang jedoch nicht viele eingegangen.

Gründe für letztere sähe er jedoch schon. „Es sind mir konkrete Fälle bekannt, die ziemlich problematisch sind“, berichtet Grüll und betont, dass für die Arbeitnehmer auch beim höheren Salär der Arbeitsvertrag nicht extra angeglichen werden müsse. „Die Mindestlohn-Regelungen gelten automatisch, die Ausnahmen davon sind gering“, sagt er.

Probleme bei Mini-Jobs

Die von der Sozialversicherungspflicht befreiten Mini-Jobs sind aus seiner Sicht ein besonderes Problemfeld. Und auch Branchen macht er aus, in denen es Schwierigkeiten gebe: u.a. Überwachungsdienste, das Friseurhandwerk, die Taxi-Unternehmen, Paket-Dienstleister und nicht zuletzt die Call-Center.

Letztere werden in Essen auf der Arbeitgeberseite zum Großteil vertreten vom Verband „Call Center Essen e.V.“. Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Achim Herbst ist Geschäftsführer beim Call-Center-Dienstleister A. Sutter Dialog Services. „In Essen arbeiten rund 40 der 50 Call-Center seit längerem mit Löhnen, die deutlich über 8,50 Euro liegen“, sagt er, räumt jedoch auch ein: „Der Rest hat die Vorgaben des Mindestlohns noch nicht erfüllt.“ Bei Sutter lägen die Festangestellten schon in der Anfangsphase über 10 Euro Verdienst. Er resümiert: „Für unsere Branche ist das Thema Mindestlohn weitgehend längst gegessen.“

Nicht viele Firmen lassen sich gerne bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter in die Karten schauen. Gegenüber dieser Zeitung war neben Sutter auch die Unternehmensgruppe Kötter, in Essen aktiv in den Sparten Security, Reinigung und Personal-Service, bereit zur Stellungnahme. Die Firma schreibt: „Wir haben mit unseren Sozialpartnern Tarifverträge abgeschlossen, nach denen die Einstiegslöhne zum 1. Januar 2015 bei 8,50 Euro oder darüber liegen.“ Schon vor einem Jahr hätten die Mindestlöhne beim Firmen-Einstieg in NRW bei 9 Euro gelegen, der Tarif gehe bis über 15 Euro.

Beim Unternehmerverband laufen die Telefone heiß

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Viel zu tun hat derzeit der Essener Unternehmensverband mit dem Thema Mindestlohn. „Schon am Freitag liefen die Telefone heiß“, so Hauptgeschäftsführer Ulrich Kanders, der ein starkes Wissens-Defizit bei den Arbeitgebern ausmacht. „Die Informationspolitik des Bundes ist alles andere als optimal. Es ergeben sich zahlreiche Fragen, die Verunsicherung auslösen“, sagt er und kritisiert, wie verschiedene andere Arbeitgebervertreter auch, den hohen bürokratischen Aufwand für Meldepflichten und Nachweise über die Arbeitszeiten der Mindestlöhner. Er ist sicher: Für Branchen wie den Hotel- und Gaststättenbereich, Friseurhandwerk, Krankenhäuser oder verschiedene Dienstleister wird es schwierig, die höheren Lohnkosten im Betriebshaushalt unterzubringen.

Das erwartet auch Christiane Behnke, Vorsitzende der Kreisgruppe Essen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga): „Es werden auch in Essen durch den Mindestlohn Jobs verloren gehen und Unternehmen an den Rand ihrer Existenz gebracht.“