Essen. . Etappensieg für die Dienstleistungsgewerkschaft: Der Betriebsrat der städtischen „RGE Servicegesellschaft Essen“ macht den Weg frei für Neuwahlen. Die Familienbande zwischen BR-Chef Andreas Wieschenkämper und RGE-Geschäftsführer Klaus Wieschenkämper bleibt Verdi ein Dorn im Auge.
Verlässlichkeit hat einen Namen. So lautet der Slogan der „RGE Servicegesellschaft Essen“. Dass bei der Betriebsratswahl am 26. März 2014 alles mit rechten Dingen zuging, darauf konnten sich die rund 1500 Beschäftigten der städtischen Tochtergesellschaft allerdings nicht verlassen. Das Arbeitsgericht Essen hatte es ihnen schriftlich gegeben, als es die Wahl in erster Instanz für unwirksam erklärte. Am Mittwoch, in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht, ließ die Vorsitzende Richterin Hannelore Paßlich sehr schnell durchblicken, dass ihre Kammer geneigt sei, dieses Urteil zu bestätigen. Ja, ein Verstoß gegen die Wahlordnung liege sehr wohl vor. Weder Jutta Nöckel, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, noch ihre Rechtsbeistand versuchten dem zu widersprechen. Im Gegenteil: Für die heutige Sitzung des Betriebsrates kündigte Jutta Nöckel dessen Rücktritt an. Damit wäre der Weg frei für Neuwahlen.
Genau das hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit der Anfechtung der Wahl vom März erreichen wollen. Entsprechend erleichtert zeigte sich Gewerkschaftssekretärin Martina Peil nach der gestrigen Verhandlung in Düsseldorf: „Wir sind zufrieden.“
Gleichwohl wäre der Rücktritt des Betriebsrates für Verdi nur ein Etappensieg. Der Gewerkschaft ist das Verhältnis zwischen Betriebsrat und RGE-Geschäftsführung ein Dorn im Auge, denn aus Sicht von Verdi ist es ein allzu inniges. Der amtierende Betriebsrat sei ein sehr Arbeitgeber freundliches Gremium, kritisiert Martina Peil. „Wichtige Dinge werden auf dem Flur verabredet. Das finden wir nicht gut.“
Verdi sieht die Ursache nicht zuletzt in der familiären Verflechtung innerhalb der RGE. Geschäftsführer Klaus Wieschenkämper und der langjährige Betriebsratschef Andreas Wieschenkämper sind Brüder. Letzterer sitzt als Arbeitnehmervertreter auch im Aufsichtsrat, vom Posten des stellvertretenden Vorsitzenden war Andreas Wieschenkämper erst jüngst zurückgetreten.
Das Aufsichtsgremium hatte sich zuvor dem öffentlich laut gewordenen Vorwurf der Vetternwirtschaft angenommen. Anzeichen, die diesen Vorwurf hätten bestätigen oder erhärten können, fand der Aufsichtsrat dabei nicht. Unterschwellig steht der Vorwurf der allzu engen Familienbande jedoch nach wie vor im Raum. Die Gewerkschaft bleibt misstrauisch was das persönliche Binnenverhältnis angeht. So mancher bei der RGE ließe sich davon einschüchtern, berichtet Martina Peil und erinnert daran, dass 40 Prozent der Beschäftigten nur über befristete Arbeitsverträge verfügten.
In einem Fall wirft Verdi der RGE gar vor die Abstimmung bei der Betriebsratswahl direkt beeinflusst zu haben. „Der Beschäftigten wurde von ihrem Vorgesetzten gesagt, wo sie das Kreuzchen zu machen hat“, berichtet Peil. Dem Gericht seien dazu Zeugen benannt worden. In der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht spielte dieser Vorwurf indes keine Rolle. Richterin Hannelore Paßlich nahm allein Anstoß daran, dass der Wahlvorstand die Abstimmung per Briefwahl organisiert hatte, was nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Zumindest die mindestens 40 Beschäftigten in der RGE-Verwaltung hätten nach Auffassung des Gerichtes sehr wohl an einer Urnenwahl teilnehmen können. Wie Richterin Hannelore Paßlich weiter ausführte, sei davon auszugehen, dass der organisatorische Ablauf der Betriebsratswahl sehr wohl Einfluss auf das Ergebnis gehabt habe. Es sei nicht auszuschließen, dass Verdi bei der Wahl einen Platz mehr hätte erringen können. So reichte es im März nur für drei von 15 Plätzen.
Sollte Verdi bei der Neuwahl mindestens einen Platz mehr holen, würde dies bedeuten, dass Verdi-Sekretärin Martina Peil an den Sitzungen teilnehmen könnte. Dies habe der amtierende Betriebsrat mehrheitlich bislang abgelehnt.
Das Verhältnis dürfte auch nach dem gestrigen Etappensieg von Verdi ein schwieriges bleiben. Betriebsrats-Vize Jutta Nöckel war dazu für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, das Gerichtsgebäude hatte sie im Anschluss an die Verhandlung verlassen. RGE-Personalchef Mark-Tobias Huber kann dem vorläufigen Ausgang des Verfahrens etwas Gutes abgewinnen: Das Gericht habe aufgezeigt, wie sich die Anfechtung einer Wahl vermeiden lasse. Beim nächsten mal sollten sich die Beschäftigten also auf das Ergebnis verlassen können.
Verdienste der Stadttöchter-Vorstände