Essen. Sie fragen nicht einfach nach ein paar Cent oder wollen eine Obdachlosenzeitung verkaufen. In Essen haben Bettler durch aggressives Verhalten und lautes Pöbeln Kundschaft auf dem Weihnachtsmarkt verschreckt. Die Schausteller fühlen sich hilflos. In anderen Städten ist die Situation entspannter.

„Ich reise durch ganz Deutschland, aber so was wie hier, habe ich noch nicht erlebt“: Karl-Heinz Barkhofel ist entrüstet. Mit seiner Enkeltochter auf dem Schoß sitzt er im Kassenhäuschen seines Kinderkarussells und zeigt in Richtung des leer stehenden Ladenlokals am Markt, Ecke Kettwiger Straße. Dort haben sie sich in den letzten Tagen niedergelassen, alkoholisierte, wohl drogenabhängige Leute, die Passanten aggressiv angesprochen und um Geld gebettelt haben.

Doch nicht nur das, erläutert er. Jeden Abend würde er fegen, rund um die Kirche kehrt er dann Scherben und Spritzen zusammen. „Meine Kundschaft bekommt ja Angst“, sagt er. Das kann man niemandem zumuten. Weder den Marktbesuchern noch den Standbetreibern, findet er.

Renate Rendschmidt teilt seine Beobachtungen. Seit 20 Jahren steht sie auf dem Markt, verkauft Pommes Frites und Würstchen. „So wie in diesem Jahr, habe ich das noch nie empfunden“, sagt sie. Die Leute würden einen Bogen um ihren Stand machen, weil gleich nebenan Menschen stark alkoholisiert Krawall machen, halb nackt mit frei laufenden Hunden die Passanten anpöbeln.

„Das Ordnungsamt sagt, ihnen wären die Hände gebunden“, schimpft sie. Die Imbissbetreiberin will nicht falsch verstanden werden: „Wenn jemand Hunger hat, dann gebe ich ihm auch etwas. Aber diese Leute sind aggressiv, wollen Geld und werden frech, wenn sie keines bekommen“, schildert sie ihre Erfahrung.

Schausteller wettern gegen die Stadt Essen

In all dem Tumult läuft Albert Ritter über den Markt, er ist der Vorsitzenden des Schaustellerverbandes und nennt die Situation in Essen einzigartig. Denn das Essener Stadtmarketing hat als Betreiber des Marktes das Hausrecht nicht inne. Und die Stadt gehe zu lax mit der Situation um. Es gibt es einen Sicherheitsdienst, der bewacht die Stände allerdings nur in den Abend- und Nachtstunden.

Weihnachtsmärkte 2014Ordnungswidrigkeiten werden von der Stadt geahndet, ein Platzverweis dann ausgesprochen, wenn Leute aggressiv werden. Albert Ritter findet, das reiche nicht aus. Es könne nicht sein, dass er als Schausteller erst einmal nachweisen muss, das etwas vorgefallen ist. Bei der Kirmes in Werden beispielsweise sei das anders, da liege das Hausrecht beim Schaustellerverband und er selbst könne entscheiden, wer den Platz verlassen muss. Auf dem Weihnachtsmarkt hat nur die Stadt das Recht dazu.

Präsenz reicht meistens schon aus 

Andere Städte haben das anders geregelt. In Dortmund ist das Hausrecht an die Veranstalter des Marktes übertragen. Verena Winkelhaus vom Schaustellerverband Westfalen erklärt, dass sie als Marktveranstalter generell berechtigt sind, Leute vom Platz zu verweisen. Zudem gibt es eine mobile Wache auf dem Markt.

„Oft reicht die Präsenz der Sicherheitskräfte aus, um Leute abzuschrecken, sich gar nicht erst auf dem Markt niederzulassen“, sagt sie. Wenn jemand auffällig wird, greifen Ordner ein. Auch in Oberhausen gibt es externe Sicherheitskräfte, die 24 Stunden auf dem Markt sind und das Hausrecht des Stadtmarketings umsetzen. Zwischenfälle, bei denen Passanten aufdringlich um Geld angeschnorrt werden, gebe es vereinzelt, ließen sich aber durch die Kräfte vor Ort schnell in den Griff bekommen, heißt es dort.

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Markbetreiber fordern Hausrecht

Albert Ritter klagt, dass seit Jahren diskutiert wird, das Hausrecht auch in Essen an den Veranstalter, das Stadtmarketing, zu übertragen, aber es passiert nicht. Problematisch sei es in Essen, da der Weihnachtsmarkt nicht klar von der Fußgängerzone abgegrenzt werden kann, erklärt der Schausteller. Und in Fußgängerzonen ist das Betteln erst einmal erlaubt.

„Wir haben Verständnis für Randgruppen, als Schausteller haben wir lange auch am Rand der Gesellschaft gelebt. Sind auf den jungen Mann zum mitreisen angewiesen. Aber jeder muss sich an bestimmte Regeln halten“, sagt Ritter. Die Zustände in der Innenstadt würden ausufern. Fäkalien, Dreck, frei laufende, bellende Hunde, Leute mit Weinflaschen in der Hand, pöbelnd und aggressiv bettelnd, hätten dort nichts zu suchen.

„Die Freiheit des einzelnen hört da auf, wo andere geschädigt werden“, sagt er. Dass die Leute Slalom um die aggressiven Bettler laufen müssen, könne nicht sein: „Das ist kein Aushängeschild unserer Stadt.“